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Steil. Seit März hat der Dax stark gewonnen. Wie die Freeclimber sind viele Anleger gegen Absturz nur unzureichend abgesichert.

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Dax bei 10.000 Punkten: Klettern die Aktienkurse weiter?

Der Dax ist in einem rasanten Tempo auf den höchsten Stand aller Zeiten gestiegen. Einige Analysten glauben: Da geht noch mehr.

Der Dax hat am Pfingstmontag erstmals in seiner Geschichte über der Marke von 10 000 Punkten geschlossen. Und nun? Macht der deutsche Leitindex nun im sechsten Jahr der Hausse eine Pause oder hoppelt er, fünfstellig, munter weiter? Am Mittwoch schwächelte er erst einmal, nach kleineren Gewinnmitnahmen und nach einer Gewinnwarnung der Lufthansa.

Dennoch glaubt die Deutsche Bank: Da geht noch mehr. Die Marktstrategen Jan Rabe und Adrian Rott etwa bleiben bei ihrem Kursziel von 11 000 Punkten für das zweite Halbjahr, das sie bereits am Ende des vergangenen Jahres für 2014 prognostiziert hatten. Der Grund: Die Konjunktur werde weiter dynamisch anziehen, vor allem in der Eurozone. Zudem wirkten sich die jüngsten Zinsmaßnahmen der europäischen Notenbank (EZB) positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen aus.

Hinter uns liegen fünf fette Börsenjahre: Anleger, die im Juni 2009 ein Papier auf den Dax gekauft hatten, haben ihren Einsatz (vor Steuern) verdoppelt. Auch binnen zweieinhalb Jahren – seit der Dax im November 2011 im Zuge der Staatsschuldenkrise nochmals sehr nahe an die Marke von 5000 Punkten zurückfiel – war ein 100-Prozent-Gewinn drin. Binnen Jahresfrist steht ein Plus von gut 21 Prozent auf dem Konto. Auch die tonangebenden US-Märkte notieren in luftiger Höhe: Der Dow Jones etwa schwingt sich seit Monaten von Allzeithoch zu Allzeithoch, kratzt derzeit an der Marke von 17 000 Punkten, der breite Marktindex S&P 500 hat sich seit seinem Tief 2009 nahezu verdreifacht.

In Europa steht der deutsche Rekord mit Symbolcharakter aber fast alleine da: Außer dem dänischen KFX steht kein anderer Länderindex auf einem Allzeithoch, nur der britische FTSE ist knapp davor. Wer also die Sorge vor einem nahenden Crash in der Fünfstelligkeit beschwört, leidet unter einer „home bias“ – einer Fixierung auf den heimischen Markt. Die ist aber in Zeiten der Globalisierung problematisch, denn ein wichtiger Index stürzt nie als einziger ab. „Die 10 000-Punkte-Marke ist an sich nichts Besonderes“, sagt Arndt Kussmann, Leiter der Finanzanalyse bei der Quirin Bank. Es sei aber verständlich, dass sich mit besonderen Indexständen auch besondere Erwartungen verknüpften. Dennoch sei es unmöglich, die künftige Entwicklung treffsicher vorherzusagen. Die Wissenschaft hat dies immer wieder belegt: Der aktuelle Kurs vereint in sich bereits alle aktuell verfügbaren Informationen, Sorgen, Ängste und Hoffnungen. Einkalkuliert haben die Investoren etwa, dass der Dax derzeit nicht gerade niedrig bewertet ist. Einkalkuliert ist zudem, dass die Notenbanken ihre Geldschleusen weiter geöffnet haben. Einkalkuliert ist auch die Krise in der Ukraine oder die Sorge, dass die US-Notenbank 2015 vielleicht zum ersten Mal wieder die Zinsen erhöhen könnte.

Die Kurse von morgen sind also aus heutiger Sicht nur dem „Zufall mit langfristig positivem Drift“ unterworfen, wie es der Mannheimer Professor für Bankbetriebswirtschaftslehre und Forscher für Investmentstrategien, Martin Weber, ausdrückt. „Kursprognosen sind deshalb zu jedem Zeitpunkt Blödsinn.“ Dies gilt auch jetzt, bei einem Dax-Stand rund um die Marke von 10 000 Punkten und nach mehr als fünf Jahren Hausse. Die Frage, ob nun ein weiterer Höhenmarsch oder aber der Gang ins Tal ansteht, ist offen.

Der Dax-Kursindex ist noch 20 Prozent von seinem Rekord entfernt

Ein Blick auf den Dax selbst relativiert die Zehntausender-Marke weiter: Denn der Dax ist ein Performance-Index. Das bedeutet: die jährlichen Dividendenzahlungen seiner 30 Mitglieder sind mitgerechnet, anders als bei den meisten anderen Indizes. Betrachtet man nur den reinen Kursindex, also ohne Ausschüttungen, so sind wir noch 20 Prozent vom Rekordhoch aus dem Jahr 2000 entfernt. Auch unter den 30 Dax-Werten notieren die wenigsten auf Rekordständen. Am nächsten sind hier die BASF, Linde und Henkel dran, aber auch Aktien wie Bayer, BMW, Fresenius und VW lagen bereits auf neuen Hochs. Banken und Versicherer, die Telekom, die Versorger, SAP, Siemens, K+S und viele andere sind jedoch weit davon entfernt.

Für die Anleger bedeutet das laut Quirin Bank: Die 10 000-Punkte-Marke verstelle den Blick auf das Wesentliche, denn bei der Geldanlage dürfe die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt nicht im Vordergrund stehen. Der Anlagezeitpunkt sei, das sei wissenschaftlich erwiesen, langfristig nicht von Bedeutung. Wichtig sei es vielmehr, langfristig zu denken und sein Geld breit auf Standard- und Nebenwerte sowie auf verschiedene Länder zu streuen. Zumindest die Vergangenheit liefert dafür eindeutige Belege: Selbst wer kurz vor einem Absturz in den Dax investiert hat, war nach ein paar Jahren wieder im Plus. Nach Zahlen des deutschen Aktieninstituts lag jeder Dax-Anleger in den vergangenen 50 Jahren ohne Ausnahme im Plus, solange er sein Portfolio mindestens zwölf Jahre hielt. Für viele Zeiträume galt dies auch schon bei deutlich kürzerer Haltedauer. Eine Garantie für die Zukunft ist dies natürlich nicht.

Andere Marktexperten raten auf dem derzeitigen Niveau zur Vorsicht. Die EZB warnt vor „steigenden Risiken“ für die Finanzmarktstabilität. Investoren, die angesichts der Zinsdürre seit Jahren höheren Renditen nachjagen, könnten „einen scharfen und ungeordneten Abbau der jüngsten Kapitalflüsse“ auslösen. Auch der Schweizer Fondsmanager Marc Faber ist wieder mit warnendem Zeigefinger unterwegs: Den Aktienmärkten stehe ein massiver Kurssturz bevor, der ein Minus von 30 Prozent erreichen könnte.

Wer in Sorge ist, muss nicht gleich verkaufen oder auf Investments verzichten, sondern kann sein Depot auch vor einem größeren Kursverfall schützen: Eine Möglichkeit etwa ist der Kauf eines „Puts“: einer Verkaufsoption auf den Dax (oder einen anderen Markt, je nach Depot), deren Wert stiege, wenn der Dax fiele. Allerdings ist es für einen Privatanleger schwierig, aus tausenden Produkten jenen Put auszuwählen, der denkbare Verluste am besten auffinge. Zweitens lassen sich Aktien und Fonds mit zuvor festgelegten automatischen Verkaufskursen („stop loss“) absichern.

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