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Geplatzte Träume: Am 18. November 1996 wurde die Telekom-Aktie erstmals gehandelt, viele Sparer wurden bitter enttäuscht.

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Dax knackt 13.000-Punkte-Marke: Die Profite der anderen

Der Aktienindex Dax steigt auf Rekordhöhe. Doch vom Börsenboom profitieren die meisten Bürger nicht. Sie haben ganz andere Sorgen. Das muss sich ändern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Hinterher ist man immer schlauer. Hätte man vor acht Jahren 10.000 Euro in Aktien des Halbleiterherstellers Infineon gesteckt, wäre man heute um eine halbe Million Euro reicher. Oder Adidas. Wer vor gut zwei Jahren Aktien des Sportartikelkonzerns geordert hat, kann sich über eine Verdreifachung des Kurses freuen. Die Zeiten für Aktionäre sind gut. Der Aktienindex Dax hat in dieser Woche erstmals die Marke von 13.000 Punkten durchbrochen – und strebt nun höheren Zielen entgegen.

Sparbriefe statt Aktien

Hätte, hätte. Doch man hat eben nicht. Die meisten Menschen haben weder Infineon-Papiere noch Adidas-Aktien in ihren Depots. Sie haben stattdessen Sparbriefe oder Lebensversicherungen gekauft. Gerade einmal neun Millionen Anleger besitzen in Deutschland Aktien oder Anteile an einem Aktienfonds. Groß an der Börse sind andere, internationale Investoren wie Blackrock. Über seine Fonds ist der Vermögensverwalter aus den USA an allen 30 Unternehmen beteiligt, die im Deutschen Aktienindex vertreten sind. Der Börsenboom macht die Großen noch größer, an den Kleinen geht die Rallye vorbei.

Für Kleinsparer kommt es immer dicker

Im Gegenteil: Für Kleinsparer kommt es immer dicker. Sichere, festverzinsliche Wertpapiere bringen schon seit Jahren kaum noch Gewinne. Nun zieht aber auch die Inflation langsam wieder an, das vergrößert den Leidensdruck. Nicht nur Sparer sind in Not, auch Versicherungskunden, vor allem wenn sie ihr Geld der Generali oder Ergo anvertraut haben. Die Konzerne wollen die Lebensversicherungspolicen an Investoren verticken, weil sich das Geschäft für sie nicht mehr lohnt. Zehn Millionen Kunden sollen verhökert werden – mit ungewissem Ende.

Zocken wird belohnt

Dreh- und Angelpunkt der Misere ist die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Deren Nullzinsstrategie, gepaart mit dem gigantischen Kauf von Anleihen, bestraft sicherheitsbedürftige Anleger und belohnt Zocker – am Aktienmarkt, aber auch bei Immobiliengeschäften. Mehr als 3400 Euro kostet heute im Schnitt der Quadratmeter in Berlin, in kaum einer Region des Landes schnellen die Preise so rasant in die Höhe wie in der Hauptstadt. Das ist lukrativ für Spekulanten, aber schlecht für all diejenigen, die den Immobilienboom verpasst haben. Sie gehören zu den Leidtragenden des Spekulationswahnsinns, der Deutschland erfasst hat. Denn um die immer höheren Immobilienpreise in Berlin und anderen Ballungsräumen zu erwirtschaften, setzen die Käufer die Mieten hoch. Wie schwer es ist, eine bezahlbare Wohnung zu finden, weiß jeder, der sich bei einer Wohnungsbesichtigung am Ende der Schlange wiederfindet.

Selters statt Sekt

Es ist daher allerhöchste Zeit für eine Wende in der Geldpolitik. Das scheinen auch immer mehr Mitglieder im EZB-Rat so zu sehen. Am 26. Oktober, bei der nächsten Sitzung, könnte der Einstieg in den Ausstieg beschlossen werden – doch selbst dann dauert es noch Jahre, bis wieder normale Verhältnisse herrschen. So lange können sich die Spekulanten aus aller Welt freuen. Bei Infineon kommen 85 Prozent der Aktionäre aus dem Ausland, bei Adidas sind es 80 Prozent. Der „Dax 13000“ lässt bei ihnen die Korken knallen. Für die meisten Deutschen gibt es dagegen Selters statt Sekt.

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