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Der deutsche Leitindex, der die psychologisch wichtige 7000er Marke bereits am Vortag erstmals wieder seit April kurz überwunden hatte, legte zum Handelsschluss am Freitag um 0,64 Prozent auf 7040,88 Punkte zu.

© dpa

Dax: Locker über 7000 Punkte

Der Deutsche Aktienindex hat dieses Jahr schon mehr als 18 Prozent gewonnen. Kurzfristig ist noch mehr möglich, aber die Risiken bleiben hoch.

Ist die Krise vorbei? Beim Blick auf die deutschen Aktienkurse könnte man den Eindruck gewinnen. Während Anleger in Tokio oder New York verhalten vorsichtig bleiben, werden hierzulande Aktien gekauft, als seien die Probleme der überschuldeten Europäer gelöst und als stehe die Weltwirtschaft vor einem Aufschwung. Seit Anfang des Jahres hat der Deutsche Aktienindex mehr als 1100 Punkte gewonnen – ein Plus von 18 Prozent. Während sich die Schuldenkrise Monat für Monat verschärfte und auch das Wachstum in Deutschland allmählich schwächer wird, setzten Anleger parallel auf Risiko und kauften Aktien. Am Freitag schaffte der Dax locker den Sprung über die 7000er-Marke. Auf den ersten Blick wirkt das blauäugig. Auf den zweiten Blick ergeben sich aber durchaus gute Gründe für den Kursanstieg – und womöglich weitere Gewinne.

CHANCEN

Für einen weiteren Anstieg der Kurse bis Mitte September spricht, dass die Märkte bis dahin auf eine größere geldpolitische Intervention der Notenbanken in der Euro-Zone (EZB) und in den USA (Fed) spekulieren werden. Kauf oder Tausch von Staatsanleihen, wie er von EZB und Fed erwogen wird, spülen Kapital auf den Finanzmarkt, das angelegt werden muss.

Da die Zinsen extrem niedrig sind (und vorerst bleiben dürften) und solide Staatsanleihen kaum Rendite versprechen, werden professionelle Anleger wie Banken, Versicherungen, Pensions- und Investmentfonds in Aktien oder Rohstoffe gedrängt – zumindest kurzfristig. Der Ölpreis nähert sich bereits neuen Rekordständen. Am Freitag kostete ein Fass US-Leichtöl gut 95 Dollar. Auch die breite Masse der Kleinanleger zieht nach. Durchschnittlich 10,2 Millionen Anleger steckten nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts im ersten Halbjahr hierzulande direkt und/oder indirekt Geld in Aktien. Das sind 1,9 Millionen mehr als im Vorjahreszeitraum. Einen stärkeren Zuwachs hatte es nur im Ausnahmejahr 2000 gegeben. Damals beflügelte der Börsengang der Telekom die Fantasie.

Offen ist allerdings, ob und wie umfangreich die Zentralbanken intervenieren werden. Am 6. September tagt die Europäische Zentralbank, am 13. September die US-Notenbank Fed. Hinweise, wie es mit dem Krisenmanagement in Europa weitergeht, bekommen Anleger ebenfalls Mitte September: Die EU-Kommission wird am 11. September ihre Vorschläge zur Bankenunion vorstellen. Einen Tag später, am 12. September, entscheidet des Bundesverfassungsgerichts über die Rechtmäßigkeit des ESM-Rettungsschirms. Die Landesbank Hessen-Thüringen sieht den Dax Ende 2012 bei 7200 Punkten.

RISIKEN

Aus der offenkundigen Sorglosigkeit der Anleger ergeben sich die Risiken für Späteinsteiger. So sind die „Angst-Indizes“ des deutschen und amerikanischen Aktienmarktes (V-Dax und Vix) – sie messen, mit welchen Aktienkursschwankungen Anleger am Terminmarkt kurzfristig rechnen – fast auf das Vorkrisenniveau von 2007 gesunken. Zugleich enthielten die jüngsten Quartalsberichte der deutschen Unternehmen kaum Sensationen. Vielmehr häufen sich die Warnungen vor einer Abschwächung des Wachstums im zweiten Halbjahr und den Risiken einer eskalierenden Schuldenkrise. Das haben viele Anleger offenbar ausgeblendet.

„Die Gewinnprognosen für 2013 sind angesichts der spürbar abkühlenden konjunkturellen Dynamik zu optimistisch“, meinen die DZ-Bank-Analysten. „Wir rechnen daher per saldo mit sinkenden Kursen zum Jahresende 2012.“ Prognose der Bank für den Dax: 6600 Punkte. Fundamental stehe die globale Wirtschaft weiter „auf tönernen Füßen“, warnt auch die Landesbank Berlin (LBB). „Wir bleiben zurückhaltend, was den deutlichen Kursanstieg der letzten Monate betrifft.“ Die LBB rechnet ebenfalls mit sinkenden Kursen. Den Dax sieht sie in sechs Monaten bis auf 6500 Punkte fallen.

Die starke Verfassung der US-Börsen, die den deutschen Markt häufig mit nach oben (oder unten) ziehen, könnte kurzfristig erhalten bleiben. So zeigten Daten am Freitag, dass das Vertrauen der US-Verbraucher zugenommen hat. Von den 468 Unternehmen aus dem S&P-500, die bis jetzt ihre Zahlen vorgelegt haben, übertrafen zudem 68 Prozent die Erwartungen der Analysten. Allerdings wurde dieses Niveau auch in den vergangenen vier Quartalen erreicht. Ein guter Teil davon dürfte auch schon in den Kursen enthalten sein. Oberhalb der aktuell 1400 Punkte des S&P-500-Index sehen Analysten deshalb wenig Spielraum nach oben. „Das weitere Anstiegspotenzial halten wir zunächst für begrenzt“, kommentiert die DZ Bank. Impulse für den Dax dürfte es also von Übersee kaum geben. Ein Großereignis könnte freilich dem US-Aktienmarkt im Jahresverlauf Auftrieb geben: ein Machtwechsel in Washington.

Vorher sollten Anleger auf der Hut sein. Die Empirie verspricht einen turbulenten Spätsommer: Sechs der zehn größten Monatsverluste seit der Dax-Einführung 1988 fielen in den Zeitraum August und September.

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