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Für die Arbeitsagentur war 2016 ein gutes Jahr.

© dpa

Debatte über Beitragssenkungen: Arbeitslosigkeit so gering wie seit 1991 nicht mehr

Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Arbeitsagentur macht Überschüsse. Nun beginnt der Streit darüber, ob die Beiträge gesenkt werden sollen.

Wenn die Arbeitsagentur von Erfolgen spricht, dauert es mit dem „aber“ meist nicht lang. In Berlin lag die Arbeitslosenquote seit vergangenen Mai Monat für Monat bei unter zehn Prozent. Der Abstand zu anderen Regionen ist trotzdem nach wie vor groß. Nur in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern ist die Quote höher.

So betonte die neue Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Die Linke) am Dienstag zwar den positiven Trend, sagte aber auch, dass die Zahl von 52 952 Langzeitarbeitslosen im Land noch immer „bedrückend hoch“ sei. Die Politik werde prüfen, wie jene, die länger keinen Job haben, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gezielt in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden könnten. Außerdem müssten Unternehmen ihre Vorurteile ablegen. „Wer Fachkräfte will, darf auch Langzeitarbeitslose nicht abschreiben“, meinte sie.

Ein besseres Jahr als erwartet wurde

Im Oktober waren rund 1,39 Millionen Menschen in Berlin sozialversicherungspflichtig beschäftigt, 47 454 mehr als ein Jahr zuvor. Mit der Steigerung von 3,5 Prozent liegt Berlin über dem bundesdeutschen Wert von 1,3 Prozent. Die Arbeitslosenquote lag im Dezember bei 9,2 Prozent, in Brandenburg bei 7,5 Prozent.

2016 „war ein gutes Jahr, besser als vorher und besser als wir das erwarten konnten“, sagte auch Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA). Die Arbeitslosenquote in Deutschland sank im Jahresdurchschnitt um 0,3 Punkte auf 6,1 Prozent. Im Dezember lag sie bei 5,8 Prozent. Ein Grund war die starke Binnenkonjunktur.

Integration der Flüchtlinge wesentlich

Zählt man allerdings auch jene hinzu, die einen Ein-Euro-Job haben oder in einer Maßnahme stecken – und daher nicht in der offiziellen Arbeitslosenstatistik auftauchen – gab es im Dezember mehr als 3,56 Millionen Menschen ohne eine Stelle. Die sogenannte Unterbeschäftigung ist unter anderem durch die Zahl erwerbsloser Flüchtlinge spürbar gestiegen, die derzeit noch an Sprach- und Eingliederungskursen teilnehmen.

Die „größte Herausforderung“ bleibe deswegen die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt, sagte BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker. 2016 sei dies bei etwa 30 000 Flüchtlingen gelungen. Doch je mehr Asylverfahren abgeschlossen werden und je mehr ihre Maßnahmen wie Sprach- und Integrationskurse beenden, desto mehr Flüchtlinge werden im kommenden Jahr als Arbeitslose in der Statistik registriert sein.

Debatte um Arbeitslosenbeiträge

Dank der guten Entwicklung des Arbeitsmarktes hat die BA einen Überschuss von 5,4 Milliarden Euro erzielt. Ihre Rücklagen stiegen laut Weise auf 11,4 Milliarden Euro. Der Bund der Steuerzahler forderte daraufhin eine Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung von drei auf 2,5 Prozent. Fachpolitiker von SPD und Union zeigten sich in der „Süddeutschen Zeitung“ vom Dienstag offen für die Forderung nach einer Beitragssenkung.

Der Chef der Unions-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann (CDU). sagte zum Beispiel: „Was jetzt an Überschüssen erzielt wird, gehört den Arbeitnehmern und Arbeitgebern.“ Wie SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider, der sich ebenfalls für eine Beitragssenkung aussprach, ließ er allerdings offen, wie stark der Satz gesenkt werden sollte.

Aus dem Arbeitsministerium hieß es: „Es gibt derzeit keine Pläne, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung abzusenken.“ Die Beitragshöhe von drei Prozent des Bruttolohns sei sinnvoll und notwendig – auch für den Fall, dass sich Konjunktur und Arbeitsmarkt einmal schlechter entwickelten. Weise sagte zu den Forderungen aus CDU und SPD: „Würde man uns um Rat fragen, hätten wir den Rat, das jetzt nicht zu tun.“

BA-Chef Weise erinnert an Wirtschaftskrise

Der BA-Chef verwies auf die Erfahrungen aus der Wirtschaftskrise 2009/2010. „Damals haben wir ohne Steuer- und Beitragsmittel rund 17 Milliarden Euro aus den BA-Rücklagen gegen die Krise geschoben“, sagte er. Mit dem Geld seien Kurzarbeitergeldprogramme finanziert worden, um Entlassungen im größeren Stil zu verhindern. „Daher stellt sich für mich momentan nicht die Frage, jetzt das Geld zu verteilen.“

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte, die Parteien wären gut beraten, „sich hier nicht vor der Bundestagswahl verlocken zu lassen“. Apropos Wahlen: Mehr als neun von zehn Deutschen halten ihren Job zur Zeit für sicher und blicken zuversichtlich in die Zukunft. Zu diesem Ergebnis kam eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens Valid Research für die Beratungsfirma EY. Die Befragten fürchten demnach vor allem Kriege im Ausland – nicht den Verlust ihres Arbeitsplatzes.

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