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Neu aufgehängt. Der Autobauer BMW hat vor einer Woche seine erste speziell für ältere Arbeitnehmer optimierte Fertigung für Achsgetriebe in Betrieb genommen.

© dpa

Demografischer Wandel: Damit die Zukunft nicht alt aussieht

Bald wird es Deutschland mehr 60-jährige als 30-jährige Menschen geben. Modernes Personalmanagement wird daher verstärkt auf die Fortbildung älterer Mitarbeiter setzen - was gerade für kleinere Betriebe nicht immer leicht ist.

Ein 58-jähriger Kundenberater begann vor drei Jahren, gezielt ältere Kundinnen zu Hause zu besuchen und in Anlagefragen zu beraten. Er bringt seitdem jeden Monat mehrere hunderttausend Euro neue Einlagen in die Bank. Im KaDeWe wenden sich ältere Damen an nicht viel jüngere Verkäuferinnen, mit denen sie den Geschmack teilen. Und in Charlottenburg steht im Kosmetikgeschäft eine 60-jährige Verkäuferin, weil sie eine Rentnerin mit Hautproblemen einfühlsam über Pflegerisiken aufklären kann.

Diese älteren Arbeitnehmer werden langsam zur Ausnahme. Nur vier von zehn über 55-jährigen sind überhaupt noch sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Und die Personalpolitik vieler Unternehmen zielt weiter darauf ab, ältere Mitarbeiter durch jüngere zu ersetzen. Als Gründe müssen die höhere Entlohnung, die geringere Belastbarkeit sowie die höheren Weiterbildungsaufwendungen für die „Seniors“ herhalten. Diese Argumente dürften bald nicht mehr ganz so wichtig sein. Unternehmen werden ihre Ziele in naher Zukunft mit deutlich älteren Belegschaften umsetzen müssen. Die demografische Entwicklung ist eindeutig. In wenigen Jahrzehnten werden in Deutschland mehr 60-jährige als 30-jährige leben. Das Durchschnittsalter zur Jahrhundertmitte wird bei 50 Jahren liegen.

Mit einer Neuorientierung in der Beschäftigungspolitik tun sich kleine und mittlere Betriebe besonders schwer. Ihre Ressourcen sind begrenzt und es fehlt an strategischer Planung. Aber diese Firmen machen 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland aus. Allein in Berlin gibt es fast 278 000 Betriebe mit weniger als 250 Mitarbeiter/innen. An ihnen wird es entscheidend liegen, ob der Paradigmenwechsel gelingt.

Natürlich machen sich viele Wissenschaftler, die Gewerkschaften und Unternehmer Gedanken über den notwendigen Richtungswechsel. Eine dieser Einrichtungen in Berlin ist die „Zukunft im Zentrum GmbH“, die unter dem Titel „Demografie handhaben“, einen Leitfaden für kleine und mittelgroße Unternehmen entwickelt hat.

Die Autoren fordern vor allem einen Mentalitätswechsel, um die Stärken von Jung und Alt in den Arbeitsprozess zu integrieren. Dieser Mentalitätswechsel bedeutet vor allem eine bessere Vernetzung der Eigenschaften von Jung und Alt. Denn der Dynamik, dem Ehrgeiz und dem starken Engagement der Jungen stehen die Loyalität, Gelassenheit und Erfahrung der Älteren gegenüber. Das sind insgesamt Eigenschaften, die jedes Unternehmen braucht. Das zweite große Thema sind Arbeitsbedingungen, die auch auf ältere Arbeitnehmer zugeschnitten sind: bessere und größere Bildschirme am Arbeitsplatz, ergonomische Bürostühle, gesundes Essen in den Kantinen. Der wesentliche Schlüssel zur Integration von älteren Arbeitnehmern aber ist der Wissenstransfer von einer Generation zur anderen und die lebenslange Weiterbildung.

In den meisten mittelständischen Unternehmen fehlt es bis heute an der Bereitschaft, in Qualifizierungsmaßnahmen ihrer älteren Mitarbeiter zu investieren: Nach einer großen Studie aus dem Jahr 2009 sieht nicht einmal die Hälfte der Mittelständler die Notwendigkeit, auch ältere Mitarbeiter weiter fortzubilden. Laufbahn- und Karrieremodelle für die Altersgruppe über 50 bieten sogar nur elf Prozent der Unternehmen. Gleichzeitig halten drei von vier Mittelständlern eine Abkehr vom „Jugendwahn“ für unerlässlich. Das meint dann aber wohl eher die Konkurrenz. Das Problem ist dennoch eher beidseitig: Noch setzten sich gerade ältere Arbeitnehmer ungern auf die Schulbank. Nach Angaben des Deutschen Zentrums für Altersfragen nimmt nur jeder fünfte Arbeitnehmer zwischen 50 und 64 regelmäßig an einer Fortbildung teil. Bei den Jüngeren ist es immerhin jeder Dritte. Der Berliner Arbeitssenatorin Carola Bluhm ist das nicht genug. Sie fordert sogar noch weit mehr berufliche Weiterqualifizierungen und Umschulungen als bisher üblich und zudem eine größere Flexibilität: „Mit einer Erstausbildung oder einem Studium allein kann heute kein ganzes Arbeitsleben mehr bewältigt werden“.

Aber selbst die Forschungsstelle des Bildungswerkes der Hessischen Wirtschaft e. V. ist trotz kleiner Fortschritte weiterhin skeptisch, was die Entwicklung anbelangt: „Trotz der Kassandrarufe seitens der Forschung und von Arbeitsmarktpolitikern sehen Unternehmen nur bedingt die Notwendigkeit, von der Jugendzentriertheit ihrer Personalpolitik abzurücken. Optimierung und Personalabbau prägen den betrieblichen Alltag. Für die Alten ist da kaum noch Platz.“

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