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Wirtschaft: „Den Deutschen fehlt die Lust auf Zukunft“

Jürgen Hambrecht, Vorstandschef des Chemiekonzerns BASF, über teures Öl, Engagement in der Schule und Gerhard Schröder

Herr Hambrecht, der Ölpreis ist auf Rekordstand. Bereitet das Ihnen als Chef des weltgrößten Chemiekonzerns unruhige Nächte?

Natürlich beunruhigt uns das. Wir sind am Anfang des Jahres von einem durchschnittlichen Ölpreis von 35 Dollar je Barrel, also je 159 Liter, ausgegangen. Im Moment wird Rohöl an den Weltmärkten mit mehr als 60 Dollar gehandelt.

Mit welchen Folgen für die BASF?

Wir haben unsere Kalkulation geändert. Jetzt gehen wir von einem durchschnittlichen Ölpreis von 45 Dollar je Barrel im Jahresdurchschnitt aus – und liegen mit dieser Einschätzung sicher immer noch am unteren Ende.

Was kann das Öl noch teurer machen?

Es gibt viele Unsicherheitsfaktoren: Wenn es im Sommer Stürme im Golf von Mexiko gibt, müssen Ölplattformen evakuiert werden, es wird weniger produziert und die Preise steigen. Das Gleiche gilt, wenn der Winteranfang in den USA hart wird. Mit der steigenden Nachfrage steigt der Ölpreis, verursacht durch das derzeit begrenzte weltweite Angebot.

Das könnte Ihren Gewinn drücken. Müssen Sie Ihre Prognose für das Gesamtjahr senken?

Nein. Ein hoher Ölpreis verbessert Umsatz und Ergebnis unserer Gruppengesellschaft Wintershall, die im Öl- und Gasgeschäft tätig ist. Darüber hinaus bemühen wir uns, notwendige Preiserhöhungen im Chemiegeschäft durchzusetzen. Darum bleiben wir bei unserer Prognose: Wir werden versuchen, beim Gewinn an das letzte Jahr anzuknüpfen, dabei werden wir uns gewaltig ins Zeug legen, um besser abzuschneiden.

Was erwarten Sie für das dritte Quartal?

Ich habe immer gesagt, dass es nicht mehr die gleichen Steigerungsraten zeigen wird wie das erste und das zweite.

Und warum nicht?

Wir hatten im vergangenen Jahr ein außerordentlich gutes drittes Quartal, weil das übliche Sommerloch ausgeblieben ist. In diesem Jahr werden wir aber sehr wahrscheinlich ein Sommerloch haben.

Woran können Sie das erkennen?

In der Automobilindustrie läuft es gerade nicht so gut. General Motors zum Beispiel hat in Nordamerika angekündigt, im dritten Quartal zehn Prozent weniger Autos zu produzieren als im vergangenen Jahr. Wegen der schwachen Nachfrage werden viele Hersteller im Sommer eine Produktionspause einlegen. Das trifft auch die Chemieindustrie, weil wir viele Produkte, beispielsweise Lacke, an die Automobilindustrie liefern. Und das ist ein globales Geschäft.

Neben der schwächelnden Autobranche und dem teuren Öl müsste Ihnen auch der stärker werdende Dollar zu schaffen machen – auch deshalb, weil Öl in Dollar gehandelt wird.

Die Effekte der Währung schlagen in der Chemiebranche nicht so stark durch wie der Ölpreis. Darum ist es auch wenig hilfreich, immer wieder kurzfristig über die Auswirkungen der Währung auf die Exporte zu spekulieren. Viel sinnvoller ist es, die Situation im Markt langfristig zu beobachten. Dann muss man auch nicht immer das Schlechteste erwarten.

Viele Ihrer Kollegen sind offenbar anderer Meinung. Der Ifo-Geschäftsklimaindex, der die Erwartungen der Unternehmer widerspiegelt, hat sich weiter verschlechtert. Sollten die Unternehmer nicht mit gutem Beispiel vorangehen und mehr Optimismus verbreiten?

Das stimmt. Wir sind viel besser, als wir glauben. Das gilt auch für den Standort Deutschland. Wir sollten viel selbstbewusster werden. Uns fehlt oft die Lust auf Zukunft. Die müssen wir wecken und das beginnt bereits an den Schulen bei unseren Kindern.

Was kann die Wirtschaft dazu beitragen?

Wir gehen in Schulen und versuchen, bei Kindern das Interesse fürs Rechnen, Lesen und Denken zu wecken. Dafür haben wir, gemeinsam mit acht weiteren Unternehmen, die „Wissensfabrik“ gegründet. Inzwischen gibt es schon rund 50 Mitmacher, allesamt Unternehmen, die dazu beitragen wollen, Wissen zu vermitteln – zum Beispiel in Schulpartnerschaften.

Schicken Sie nur Ihre Chemiker in den Unterricht oder fließt auch Geld?

Die BASF hat mit rund neun Millionen Euro die „Offensive Bildung“ gestartet. Wir wollen damit gezielt Sprachfähigkeit verbessern, Interesse an Naturwissenschaften wecken und die Qualität der pädagogischen Arbeit weiter steigern.

Und was haben Sie als Unternehmer davon?

Wenn wir nicht dazu beitragen, das Umfeld zu verändern, haben wir in Deutschland am Ende niemanden mehr, der die qualifizierten Jobs machen kann. Die Besten werden dann weggehen – dorthin, wo sie die besten Chancen haben.

Viele landen dann in den USA. Dort haben Sie vor einigen Jahren eine große Chemieanlage gebaut und kämpfen jetzt mit Überkapazitäten. Müssen Sie das auch in China befürchten, wo BASF drei Milliarden Euro in ein Chemiewerk investiert hat?

Nein, die Gefahr ist relativ klein. China importiert noch immer weit über 30 Prozent seines Chemiebedarfs. Allerdings dürfen wir China nicht allein betrachten, denn es kann sein, dass es Überkapazitäten in anderen asiatischen Ländern gibt. Korea, Japan oder Singapur hängen sehr stark vom Export nach China ab. Sie könnten Probleme bekommen, wenn China selbst mehr Chemikalien produziert und der Importanteil zurückgeht.

Sie sind in China aktiv, Sie kooperieren mit der russischen Gazprom. Wann suchen Sie die Nähe der Ölquellen im Nahen Osten?

Dass wir noch einmal einen großen Standort wie im chinesischen Nanjing im Nahen Osten bauen, sehe ich derzeit nicht. Dort gibt es keinen großen Markt wie in China. Wir müssten die Produkte erst zu unseren weltweiten Märkten bringen. Und das lohnt sich nur in bestimmten Fällen.

Wo werden Sie künftig am meisten Geld investieren?

Wir steuern Schritt für Schritt die Wachstumsregionen an. Daneben werden wir ständig in den Erhalt der vorhandenen Anlagen investieren. Allein in den Standort Ludwigshafen stecken wir jährlich 1,2 Milliarden Euro für Investitionen, Modernisierung und Wartung. Hinzu kommen noch einmal 700 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung. Das ist ein großes Bekenntnis zum Standort Deutschland.

In Deutschland engagieren sich immer mehr Investmentfonds. Haben Sie die Sorge, dass auch die BASF eines Tages von einem Hedgefonds übernommen werden könnte?

Wenn ein Fonds glaubt, dass er die BASF besser managen kann als die derzeitige Führung, dann soll er versuchen, seine Pläne umzusetzen. Wir sind der Überzeugung, dass wir die BASF am besten führen können. Außerdem gibt es keine Großaktionäre. Darum bin ich relativ gelassen.

Im Gegensatz zu Ihnen kann Bundeskanzler Schröder gerade überhaupt nicht gelassen sein. Im September sind voraussichtlich Neuwahlen. Was hat der Kanzler falsch gemacht?

Der Bundeskanzler hat vieles richtig gemacht und wesentliche Reformen eingeleitet. Mit Hartz IV hat Schröder das Richtige angepackt. Aber das war nicht genug. Es muss noch weitergehen, egal mit welcher Regierung - auch wenn das für viele sehr anstrengend und schmerzhaft ist. Wir müssen alle lernen, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen. Wer nur auf Gleichmachen aus ist, kann die Zukunft nicht erfolgreich gestalten.

Was muss eine neue Regierung anders machen?

Wir brauchen vor allem eine neue Steuer- und eine neue Energiepolitik. Vor allem müssen wir von der Politik des Klein-Klein wegkommen. Was jetzt nötig ist, sind langfristige Konzepte.

Und wie sollen die aussehen?

Dazu brauchen wir nicht unbedingt neue Gesetze – im Gegenteil. Vielleicht wäre es sinnvoll, fünf Jahre lang überhaupt keine neuen Gesetze zu machen. Dann könnten wir bei den bestehenden Gesetzen mal entrümpeln und uns auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren.

Das Gespräch führte Maren Peters.

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