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Richtungsweisend. Geht man den richtigen Weg im Beruf? Gradmesser dafür ist man selbst – immer wieder. Foto: fotolia

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Wirtschaft: Den eigenen Kurs finden

Neuanfang, Wechsel oder doch alles lassen wie es ist? Berufliche Wege müssen nicht geradlinig sein.

Imke Haack kennt beide Seiten: Nach der Schule machte sie zunächst eine Tischlerlehre, ließ sich dann zur Musical-Darstellerin ausbilden und ging schließlich an die Uni, um Psychologie zu studieren. Heute betreut sie als Berufs- und Karriereberaterin Menschen, die sich verändern möchten – beziehungsweise müssen. Oder die im Meer der Möglichkeiten noch nach ihrem Weg suchen. Als vielseitig interessierte Schülerin hätte sich Imke Haack ein ähnliches Angebot gewünscht.

„Unter meinen Klienten sind viele Künstler, aber auch Sportler oder Menschen, die sich nach einem Unfall beruflich umorientieren müssen.“ Der Druck, etwa nach einer Verletzung eine neue Tätigkeit zu finden, stürze viele Menschen in ein persönliches Tief. Andere hat die Unzufriedenheit mit ihrer beruflichen Situation buchstäblich krank gemacht. Deshalb muss Haack das Selbstbewusstsein ihrer Kunden oft erst wieder aufbauen – zum Beispiel mit dem folgenden Argument: „In vielen Berufen ist es von Vorteil, wenn man bereits ganz unterschiedliche Erfahrungen gesammelt hat.“ Sie denkt dabei an einen Mann Ende 20, der zwar viele künstlerische Tätigkeiten ausprobiert, aber weder ein Studium noch eine Ausbildung begonnen hatte. Haack schlug ihm ein Regiestudium vor. Er bewarb sich an einer Filmhochschule, wurde sofort aufgenommen und gewann noch während der Ausbildung die ersten Preise.

Doch auch für Menschen, die sich nach der Schule schnell für einen Beruf entscheiden, geht es immer seltener ausschließlich bergauf. Eine Studie des auf Karriereberatung spezialisierten Unternehmens von Rundstedt hält die sogenannte „Leiterkarriere“ für ein Auslaufmodell, das nach und nach von mosaikartigen Gebilden abgelöst wird, bei denen sich „Fach-, Führungs- und Projekteinsätze“ abwechseln. Karrierewege und –modelle würden sich in der Folge individualisieren.

Zu dieser These passt auch die Beobachtung, die Antje Ripking von der Berliner Gründerinnenzentrale gemacht hat: Sie hat festgestellt, dass immer mehr Frauen ihr Unternehmertum mit anderen Arbeitsformen kombinieren, und zum Beispiel erst einmal nebenher einen Online-Shop eröffnen, statt ihre gesamte Existenz auf eine Karte zu setzen. Doch ganz gleich, ob die Karriere nun an eine Leiter oder eher an ein Mosaik erinnert: Bei der Planung sollte laut Antje Ripking besonders die Absicherung – also die Altersvorsorge und die Krankenversicherung – bedacht werden.

Wenn ihre Kunden noch gar nicht wissen, in welche Richtung sie sich beruflich entwickeln wollen, sucht Imke Haack im Gespräch zunächst nach „Potenzialen“: Wer während seiner letzten Tätigkeit Azubis angelernt habe, könne gut erklären und kommunizieren. Im nächsten Schritt fragt sie nach Interessen, die auf eine bestimmte Branche hinweisen können. Dann folge die Suche nach jenen Eigenschaften, die für einen bestimmten Job unbedingt notwendig sind, zum Beispiel Temperament, Besonnenheit oder Durchsetzungsvermögen – denn in vielen Berufen gehe es nicht ohne Ellbogen.

Und sie beleuchtet die Frage, ob es ihren Kunden vor allem um ein hohes Gehalt, Macht und Ansehen geht oder darum, anderen Menschen zu helfen: Und um die Work-Life-Balance. Bei diesem Stichwort erinnert sich Imke Haack an einen Manager, für den ein ausgeglichenes Privatleben nach seinem Burn-out das Allerwichtigste war.

Rund 30 Prozent ihrer Klienten schlagen nach der Beratung eine „völlig neue Berufsrichtung“ ein, so wie der ehemalige Dachdecker, der mittlerweile als Groß- und Außenhandelskaufmann arbeitet, oder die ausgebildete Erzieherin, die ihr eigenes Café eröffnet hat. Doch auch die anderen Kunden veränderten einiges, etwa ihre Einstellung zum Beruf oder ihr Zeitmanagement. Oder sie wechseln innerhalb ihrer Branche die Stelle.

Ein häufiges Thema ist für Imke Haack auch der berufliche Wiedereinstieg von Frauen nach der Babypause. Denn gerade weibliche Arbeitnehmer neigten oft dazu, ihre Karriere zu zaghaft oder gar nicht zu planen. Eine internationale Studie von Accenture stellte im März fest, dass nur 26 Prozent der berufstätigen Frauen, aber 74 Prozent der Männer ihren Vorgesetzten regelmäßig nach einer Beförderung fragen. Mehr Geld für ihre Arbeit verlangten 48 Prozent der Frauen – und 72 Prozent der männlichen Mitarbeiter.

Bei der Karriereplanung spielen natürlich auch die Arbeitgeber eine wichtige Rolle: Mitarbeiter, die sich wahrgenommen und wertgeschätzt fühlen, sind zufriedener und denken seltener darüber nach, die Firma zu wechseln. „Arbeitgeber sollten einmal im Jahr strukturierte Mitarbeitergespräche führen, und sich auch im Alltag immer wieder Zeit für ein Essen oder eine Tasse Kaffee mit den Kollegen nehmen“, empfiehlt Tim Riedel, Managing Director bei der Personalberatung Interpool. Imke Haack rechnet auf lange Sicht mit großen Veränderungen – durch die Generation Y: „Ich habe das Gefühl, dass sich in dieser Generation ein Wertewandel vollzieht, der langfristig die ganze Arbeitswelt verändern kann.“ Damit sieht die Karriereberaterin ähnliche Tendenzen wie viele aktuelle Studien und Umfragen, etwa eine Untersuchung der Personalberatung Odgers Berndtson. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass junge Manager seltener dazu bereit sind, sich „geltenden Werten und Verhaltensweisen im Berufsleben zu unterwerfen“ und stärker auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben achten. Tim Riedel hat einen anderen Eindruck: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass junge Arbeitnehmer zwar oft über die Work-Life-Balance sprechen, dieses Kriterium bei der Jobwahl dann aber keine Rolle spielt.“

Unter den Kunden von Imke Haack sind auch viele Menschen über 50, die nach einer Neuorientierung nun zum Beispiel im Verkauf oder der Modebranche arbeiten. Trotzdem sieht sie sich auch in der Pflicht, ihre Klienten vor überstürzten Wechseln zu beschützen, für die eine sichere Position aufgegeben wird. Tim Riedel formuliert es so: „Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Unternehmen oft noch nicht ausreichend offen dafür sind, Bewerberinnen und Bewerber ab Mitte 50 für ihre offenen Stellen zu berücksichtigen. Bei eventuellen Jobwechseln sollte man also sowohl mit dem ´Herzen dabei` sein als auch mit Augenmaß den neuen Job überprüfen.“

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