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Wirtschaft: Den Freizeitpark durchforsten

Von Carsten Brönstrup Ein deutscher Industriearbeiter kann sich nicht beklagen. Zwar muss er rund 40 Stunden pro Woche schuften, aber dafür wird er nicht schlecht bezahlt.

Von Carsten Brönstrup

Ein deutscher Industriearbeiter kann sich nicht beklagen. Zwar muss er rund 40 Stunden pro Woche schuften, aber dafür wird er nicht schlecht bezahlt. Und er hat eine Menge Zeit, um sich auszuruhen: 30 Urlaubstage pro Jahr bleiben ihm, um die Füße hochzulegen, hinzu kommen je nach Bundesland neun bis 13 Feiertage. Macht achteinhalb Wochen Freizeit pro Jahr, Sonnabende und Sonntage nicht mitgerechnet. Der Kollege in Amerika hingegen kommt bei den freien Tagen nur auf viereinhalb Wochen, und oft muss er auch sonnabends ran. Arme Amerikaner, denken viele Deutsche, so ist das eben im Land des ungezügelten Kapitalismus – die kleinen Leute schuften sich den Rücken krumm, und die Großen werden immer reicher.

Fragt sich, wer hier wen bedauern sollte. In den USA ist die Arbeitslosenquote halb so hoch wie in Deutschland, das Wirtschaftswachstum dreimal so stark. Aber trotzdem bricht ein Protestgewitter los, wenn es Wirtschaftsminister Wolfgang Clement wagt, auf diesen Unterschied hinzuweisen. IGMetall-Chef Klaus Zwickel prophezeit sogar allen Ernstes eine Verschärfung der Beschäftigungskrise für den Fall, dass die deutschen Arbeitnehmer in Zukunft weniger Freizeit haben sollten. Seine Gewerkschaft streikt zugleich im Osten für eine Arbeitszeitverkürzung und begründet dies auch mit dem Ziel, die Arbeitslosigkeit senken zu wollen.

Doch mit dieser Theorie liegen die Gewerkschaften und mit ihnen alle Feiertags-Bewahrer falsch. Nur Arbeit schafft Arbeit. Würden die Deutschen auf ein oder zwei freie Tage pro Jahr verzichten, würde Arbeit billiger – und rentabler. Folge: Die Firmen würden mehr Leute einstellen, statt Maschinen anzuschaffen oder neue Fabriken im Ausland aufzubauen. Deshalb ist es kein Widerspruch, trotz Rekordarbeitslosigkeit die Arbeitnehmer länger arbeiten zu lassen. Sondern ein Weg, der wieder mehr Wohlstand und Arbeitsplätze bringen könnte. Wer indes Mehrarbeit ablehnt, geht davon aus, dass das Arbeitsvolumen bis auf weiteres konstant bleiben wird und nur besser auf die Arbeitslosen verteilt werden muss. Neues Wachstum wird es nach dieser Logik vorerst nicht geben – aber so wertvoll ist kein Feiertag.

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