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Wirtschaft: Den Königsweg aus der Beschäftigungskrise hat noch keiner gefunden

Mit dem Bonner Aktionsplan macht Waigel genau das, was er den Franzosen verbieten will: Er reserviert überschüssiges Geld für ArbeitsmarktpolitikVON TOM WEINGÄRTNER BONN.Sollte die Regierung die Bundestagswahl verlieren, so hat es nicht an der schlechten Konjunktur gelegen.

Mit dem Bonner Aktionsplan macht Waigel genau das, was er den Franzosen verbieten will: Er reserviert überschüssiges Geld für ArbeitsmarktpolitikVON TOM WEINGÄRTNER BONN.Sollte die Regierung die Bundestagswahl verlieren, so hat es nicht an der schlechten Konjunktur gelegen.Pünktlich zum Wahljahr ist die deutsche Wirtschaft auf Wachstumskurs gegangen.Das ist die gute Nachricht für Helmut Kohl.Schlecht für die Koalition ist, daß der Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt bis zum Wahltag noch nicht spürbar sein wird.Seinem Arbeitsminister hat der Regierungschef deswegen grünes Licht gegeben, 3,7 Mrd.DM zusätzlich für die "aktive Arbeitsmarktpolitik" bereitzustellen. Damit schafft Norbert Blüm die Voraussetzung dafür, daß mehr Arbeitsbeschaffungs-Maßnahmen in Anspruch genommen werden.An der desolaten Lage auf dem Arbeitsmarkt ändert das nichts, aber die Arbeitslosenstatistik sieht dadurch gleich besser aus.Nein, beteuern Arbeits- und Wirtschaftsminister, ein Beschäftigungsprogramm sei das natürlich nicht.Schließlich gebe man hier nur das Geld aus, das sowieso eingeplant sei, das aber voriges Jahr nicht ausgegeben werden konnte.Haushaltstechnisch macht die Regierung damit genau das, was der deutsche Finanzminister seinem französischen Amtskollegen verbieten will: sie gibt Überschüsse, die sonst angefallen wären, für die Arbeitsmarktpolitik aus.Es ist freilich der einzige Sündenfall im "Beschäftigungspolitischen Aktionsplan", den Bonn nun mit leichter Verspätung in Brüssel vorgelegt hat.Ansonsten bleibt die Koalition ihrem Glauben treu, daß der Staat allenfalls mittelbar Einfluß auf die Beschäftigung hat.Außerdem wird auch jede neue Zuständigkeit der EU auf diesem Gebiet strikt abgelehnt.Vor Ort, das hat der Kanzler wiederholt betont, müsse der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit geführt werden.Oppositionsführer Oskar Lafontaine hält das für grundfalsch.Die SPD sieht zumindest eine der Ursachen für die Beschäftigungskrise in mangelnder Nachfrage.Der Staat, auf nationaler wie auf europäischer Ebene, habe dafür zu sorgen, daß wieder Geld unter die Leute kommt.Die Regierung hält daran fest, daß mehr Arbeitsplätze nur entstehen, wenn Arbeit billiger wird - dafür seien besonders die Tarifpartner zuständig, so daß Investoren vor Ort günstige Voraussetzungen vorfinden, um neue Jobs einzurichten.Der nationale Aktionsplan, den die Bundesrepublik in Brüssel vorgelegt hat - um die Beschlüsse des Beschäftigungsgipfels von Luxemburg zu erfüllen - sieht deshalb keine neuen Maßnahmen vor, um Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen.Das entbehrt nicht einer inneren Logik.Wenn die Arbeitsmärkte regional und lokal sind, wie die Regierung behauptet, dann besteht keine Notwendigkeit zu handeln, weil es in Brüssel beschlossen wird.Vielmehr steht die Regierung auf dem Standpunkt, daß sie im Bereich ihrer eigenen Zuständigkeit auch ohne "Luxemburg" alles Nötige und Mögliche veranlaßt hat.Der Aktionsplan ist deshalb nur eine Zusammenstellung dessen, was ohnehin schon beschlossen oder gemacht wurde. Das Resultat ist nicht eben überzeugend.Die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist insgesamt nicht mehr besser als in anderen EU-Ländern.In Ostdeutschland sieht es sogar schlechter aus.Dafür stehen die Deutschen bei der Jugendarbeitslosigkeit deutlich besser da.Freilich kann man der Regierung in Bonn auch kein besonders krasses Versagen vorwerfen.Den Königsweg aus der Beschäftigunskrise hat in Europa noch niemand gefunden.Und für so dringend, daß man bereit wäre, den amerikanischen Weg zu gehen, halten weder die Koalition noch die Opposition das Beschäftigungsproblem.Deshalb arbeitet die Regierung weiter an kleinen Korrekturen. Auf 45 Seiten weist sie nach, daß sie das, was in Luxemburg beschlossen wurde, schon lange veranlaßt habe.So verlangt die EU etwa, daß mindestens jeder fünfte Arbeitslose in den Genuß einer Beschäftigungs- oder Qualifizierungsmaßnahme kommen muß.Für Bonn kein Problem.In diesem Jahr, meldet die Bundesregierung nach Brüssel, stehen 41 Mrd.DM für die aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung, das ist mehr als ein Drittel aller Mittel.Der Kanzler hatte der Vorgabe in Luxemburg freilich auch in Kenntnis dieser Tatsache zugestimmt.

TOM WEINGÄRTNER

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