zum Hauptinhalt
Nichts geht mehr. Psychische Erkrankungen sind Hauptursache für Arbeitsunfähigkeit.

© dpa

Depressionen: Psychische Krankheiten zwingen Menschen in Frührente

Seelische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen sind häufigster Grund dafür, dass Menschen früher in Rente gehen müssen. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Seelische Störungen waren im vergangenen Jahr der häufigste Grund für die Auszahlung einer Erwerbsminderungsrente. Schlafstörungen, Nervosität und nicht mehr abschalten können sind häufige Symptome einer Depression, sagt Dieter Best, Bundesvorsitzender der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung in Berlin. Ihn überraschen die Zahlen nicht. Best nennt zwei Gründe für den hohen Anteil von psychischen Erkrankungen von Arbeitnehmern: Einerseits schreite die Beschleunigung der Arbeitswelt stetig voran, Abläufe würden komplexer und Anforderungen höher. Klingelnde Handys, ständig neue E-Mails und hoher Druck von Vorgesetzten sind allgegenwärtig und durch mobile Geräte eine Trennung zwischen Beruf und Privatleben für viele Arbeitnehmer kaum mehr möglich. Dazu komme die ständig wachsende Arbeitszeit.

Außerdem würden psychische Erkrankungen heute besser erkannt. "Wo Menschen früher mit diffusen Schmerzen krank geschrieben wurden, werden heute die psychischen Ursachen dahinter erkannt", sagt Best. Auch im Bewusstsein der Gesellschaft habe etwas verändert. "Die Patienten sind heute besser bereit, eine Depression zu akzeptieren." Und auch bei den Hausärzten habe sich die Haltung zur Psychotherapie geändert. Sie würden heute eher zum Therapeuten überweisen statt Schmerzmittel gegen Rückenschmerzen und Schlaftabletten zu verschreiben.

71.000 Arbeitnehmer hörten im Jahr 2010 wegen psychischer Erkrankungen vor Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren auf zu arbeiten. 2009 bekamen erst knapp 64.500 Männer und Frauen aus diesem Grund erstmals eine Erwerbsminderungsrente. "Mittlerweile sind psychische Störungen der Hauptgrund für die Bewilligung von Erwerbsminderungsrenten“, sagt Dirk von der Heide, Sprecher der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Erst danach folgen Schwierigkeiten mit Skelett und Muskeln sowie Herz- und Kreislauferkrankungen.

Auffällig ist auch, dass die Menschen dabei immer jünger sind: Im Jahr 1980 waren alle erwerbs- und berufsunfähigen Neurentner im Durchschnitt 56 Jahre alt, während sie heute erst etwas über 50 sind. Bei psychischen Störungen liegt der Durchschnitt sogar bei 48,3 Jahren.

Die Arbeitsunfähigkeit wird durch ein mehrstufiges Verfahren attestiert. Wer eine psychische Erkrankung bei sich feststellt, geht zunächst zum Hausarzt, der zum Psychiater oder Psychologen überweist. Führt eine ambulante Therapie nicht zur Besserung des Zustandes, kann bei der DRV eine Rehabilitationsmaßnahme beantragt werden.

Drei Wochen dauert die Reha-Maßnahme zunächst. "Doch auch nach dem stationären Aufenthalt müssen die Patienten weiter an sich arbeiten", betont Dieter Best, Bundesvorsitzender der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung. Auch wenn in der Reha viel gelernt und verstanden werden könne, müssten die Patienten das nachher noch in den Alltag integrieren. "Dafür brauchen sie Hilfe und eine regelmäßige Begeleitung durch einen Therapeuten", sagt Best. Gerade die Rückkehr in den Alltag sei die große Herausforderung, da viele Patienten direkt in alte Gewohnheiten zurückfallen würden. Trotzdem sei die Reha wichtig, um die Möglichkeit für einen Neuanfang zu schaffen, ist der Psychologe überzeugt.

Die Erfolgsrate der Reha ist hoch, betont DRV-Sprecher Dirk von der Heide. "84 Prozent der psychisch Erkrankten schaffen es durch die Reha zurück in den Job." Wer auch nach der Reha nicht arbeiten kann, kann eine Erwerbsminderungsrente beantragen.

Im Jahr 2010 gab es insgesamt 180.000 Fälle von verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Zahl der Anträge ist fast doppelt so hoch: 43 Prozent aller Anträge werden von der DRV abgelehnt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false