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Wirtschaft: Der Arbeitsmarkt braucht Ausländer: Nicht einmal ein Babyboom kann helfen

Die Deutschen sterben aus. Ohne Zuwanderer wird ihre Zahl immer weiter sinken - davor warnen beispielsweise Studien des Statistische Bundesamtes oder der Vereinten Nationen (UN).

Die Deutschen sterben aus. Ohne Zuwanderer wird ihre Zahl immer weiter sinken - davor warnen beispielsweise Studien des Statistische Bundesamtes oder der Vereinten Nationen (UN). 2050 wird das Volk demnach aus nur noch gut 73 Millionen Menschen bestehen - selbst wenn 200 000 und mehr Einwanderer pro Jahr hinzu kommen. Diese Warnungen sind jedoch keinesfalls neu. "Die Prognosen über die Entwicklung von Bevölkerung und Arbeitsmarkt gibt es schon seit 20 Jahren", sagt Rainer Dinkel, Professor für Demographie an der Universität Rostock. "Bislang hat freilich kaum ein Politiker darauf reagiert." Doch wie seriös sind die Modelle der Wissenschaft? Immerhin vermögen die meisten Forschungsdisziplinen die Zukunft kaum präzise vorherzusagen - schon bei der Prognose der Wirschaftsleistung für das folgende Jahr tun sich Ökonomen mitunter schwer.

Anders die Demographen. Wie viele Menschen für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, lässt sich recht präzise berechnen. "Die Vorhersagen der Wissenschaft über das Erwerbspersonenpotenzial für die kommenden 20 bis 30 Jahre sind recht verlässlich und weisen höchstens eine Fehlerquote von fünf Prozent auf. Denn alle für den Arbeitsmarkt in der näheren Zukunft relevanten Menschen leben bereits, und die Sterblichkeit sinkt systematisch", erklärt Dinkel.

Warum die Deutschen zur aussterbenenden Art werden, liegt auf der Hand: Die Frauen gebären immer weniger Kinder. Bekam eine Frau des Jahrgangs 1860 im Schnitt noch 4,8 Kinder, waren es beim Jahrgang 1900 nur noch zwei und bei im Jahre 1965 Geborenen lediglich 1,4 Kinder. Genauso viele Kinder zur Welt zu bringen wie ihre Mütter - das schaffte zuletzt der Jahrgang 1885, hat Andreas Heigl, Volkswirt bei der Münchner Hypo-Vereinsbank, ausgerechnet. Dieser Trend wird sich fortsetzen, fürchtet er: Frauen heiraten und gebären - wenn überhaupt - immer später und lassen sich immer häufiger scheiden. Fast jede dritte Frau des Jahrgangs 1965 wird gar keine Kinder bekommen, Akademikerinnen bleiben sogar zu 40 Prozent kinderlos. Dies ist nicht nur eine Folge des gesellschaftlichen Wandels und der Emanzipation. Galten Kinder bis Mitte des 20. Jahrhunderts noch als Zukunftsinvestition - also als Altersvorsorge -, sind sie seitdem zum kostspieligen Luxus geworden - Erziehung und Ausbildung kosten die Eltern heutzutage viel Geld.

Gibt es überhaupt eine Alternative zu verstärkter Zuwanderung? Ließe sich das allmähliche Aussterben der Deutschen mit einer Familien- oder Bevölkerungspolitik stoppen - also mit höherem Kindergeld, der Anrechnung von Erziehungszeiten bei der Rente, mehr Ganztagsschulen oder gar Kopfprämien? "Dazu ist es zu spät", sagt Bevölkerungsforscher Dinkel. Denn selbst wenn von heute auf morgen in Deutschland ein Babyboom einsetzen würde und die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau von 1,4 auf die nötigen 2,1 ansteigen würde (was Dinkel "illusorisch" nennt), gäbe es kaum Bewegung auf dem Arbeitsmarkt. Denn es dauert rund 20 Jahre, bis eine Generation einen Beruf ergreift und beginnt, Steuern und Sozialabgaben zu zahlen. Obendrein würde eine neue Familienpolitik eine Menge kosten. Dieses Geld müsste die heutige Generation erst aufbringen - und könnte weniger für den eigenen Ruhestand vorsorgen. Und schließlich ist eine Steigerung der Geburtenzahlen in Deutschland schon aus historischen Gründen ein heikles Thema.

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