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Wirtschaft: Der Arbeitsrichter hat das letzte Wort

Um seine Mitarbeiter zu feuern, braucht der Chef einen guten Grund / Doch jetzt will die Regierung den Kündigungsschutz lockern

Eine deprimierende Zahl: Mehr als 4,6 Millionen Menschen sind in Deutschland derzeit arbeitslos gemeldet. Wer einen Job hat, versucht, ihn um jeden Preis zu verteidigen. Die schärfste Waffe der Arbeitnehmer ist dabei das Kündigungsschutzgesetz. Doch genau dieses Gesetz will die Bundesregierung jetzt lockern. Sie hofft, dass ein weniger strenger Kündigungsschutz Arbeitgeber dazu bewegen kann, schneller neue Arbeitskräfte einzustellen.

Dabei steckt Wirtschaftsminister Clement in einem Dilemma. Denn bereits die Kohl-Regierung hatte das Kündigungsschutzgesetz aufgeweicht. Die strengen Schutzregeln waren nur noch für Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten anwendbar. Kaum an der Macht, drehte Rot-Grün das Rad zurück. Seitdem gilt das Kündigungsschutzgesetz wieder für Betriebe, in denen mehr als fünf Mitarbeiter beschäftigt sind. Teilzeitkräfte zählen anteilig. Beschäftigte in Kleinfirmen mit fünf oder weniger Mitarbeitern sind zwar auch nicht völlig schutzlos. Ihr Kündigungsschutz muss sich jedoch nur an Treu und Glauben messen lassen und „ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme“ enthalten, entschied das Bundesarbeitsgericht (Az.: 2 AZR 15/00).

In größeren Firmen, in denen das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, ist der Schutz deutlich ausgeprägter. Eine ordentliche Kündigung – fristlose Entlassungen sind in jedem Betrieb jederzeit aus wichtigem Grund möglich – ist nur zulässig, wenn ein Kündigungsgrund vorliegt. Dieser kann in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder betriebsbedingte Ursachen haben (Rationalisierungen, Stilllegung von Betriebsteilen). Allerdings muss der Arbeitgeber bei betriebsbedingten Kündigungen die soziale Auswahl unter den Beschäftigten fehlerfrei vornehmen.

Nach den Plänen der Regierung soll es im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes zwar bei der Zahl fünf bleiben, befristet eingestellte Arbeitskräfte sollen aber bei der Berechnung der Kopfstärke nicht mitzählen. Zudem soll die Sozialauswahl bei betriebsbedingten Gründen auf drei Kriterien eingeschränkt werden – Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten. Zudem sollen Betriebsrat und Arbeitgeber Namenslisten verabreden können, die dann die Sozialauswahl ersetzen sollen.

Und noch eine Neuerung soll es bei betriebsbedingten Entlassungen geben. Künftig sollen Arbeitnehmer schon bei der Einstellung entscheiden, was bei einer späteren Kündigung gelten soll: Wollen sie eine Abfindung kassieren oder lieber ihr Recht behalten, vor Gericht gegen die Kündigung zu prozessieren?

Was sich künftig ausschließen soll, ist heute untrennbar miteinander verknüpft. Denn viele Kündigungsschutzprozesse enden mit einem Vergleich. Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigen sich vor dem Arbeitsgericht auf eine Abfindung – in Berlin ist das in aller Regel ein halbes Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Der Vergleich beendet den Prozess. Anders als bei einer außergerichtlich verabredeten Entschädigung führt die im Prozess vereinbarte Abfindung nicht zu einer Sperrfrist beim Arbeitsamt.

Ob es sinnvoll ist, einen Vergleich zu schließen, hängt davon ab, wie die Chancen im Prozess stehen. Kann der Arbeitgeber keine überzeugenden Kündigungsgründe vorlegen oder ist die Kündigung aus formellen Gründen rechtswidrig (siehe Kasten), ist der Arbeitnehmer gut beraten, auf ein Urteil zu pochen. Denn wenn das Gericht der Kündigungsschutzklage stattgibt, besteht das Arbeitsverhältnis fort und der Arbeitgeber muss den Beschäftigten weiter bezahlen. Aber Achtung: Kündigungsschutzklagen müssen spätestens drei Wochen nach der Kündigung bei Gericht eingereicht sein.

Viele Anwälte erheben nicht nur Kündigungsschutzklage, sondern beantragen zusätzlich, dass der Arbeitnehmer weiter beschäftigt wird. „Unter bestimmten Voraussetzungen besteht dann das Arbeitsverhältnis bis zum Ende des Prozesses fort, auch wenn die Kündigung wirksam ist und der Arbeitnehmer letztlich den Prozess verliert“, sagt Anja Mengel, Arbeitsrechtsanwältin in der Kanzlei Linklaters Oppenhoff & Rädler.

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