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Wirtschaft: Der Bankier des Herrn

Die krummen Geschäfte von Erzbischof Marcinkus

Am frühen Morgen des 18. Juni 1982 fanden Passanten unter der Londoner Blackfriars Bridge eine Leiche, die an einem Pfeiler baumelte. Der Kopf hing in einer Schlinge, die Fußspitzen berührten das trübe Wasser der Themse, in ihren Jackentaschen fanden sich Ziegelsteine. Der Tote war Roberto Calvi, Direktor der Mailänder Banco Ambrosiano, die kurz zuvor in Konkurs gegangen war. Bis heute ist nicht geklärt, ob Calvi Selbstmord begangen hat oder einem Mord zum Opfer fiel. Doch sein Tod brachte den größten Finanzskandal in der Geschichte des Vatikans ans Tageslicht.

Der Kirchenstaat ist eine Finanzoase, für die italienische Gesetze und Devisenbestimmungen nicht gelten. Calvi nutzte dies für Devisenbetrügereien und Geldwäsche in großem Stil. Sein frommer Partner hinter den vatikanischen Mauern war der damalige Chef der Papstbank IOR, Erzbischof Paul C. Marcinkus. Dessen Karriere hatte begonnen als Leibwächter und Reisemarschall von Paul VI., dem er bei dessen Indienbesuch das Leben rettete. Seitdem trug er in Kurienkreisen den Spitznamen Gorilla. Auch rühmte sich der aus Chicago stammende Kleriker gerne damit, im gleichen Stadtteil geboren zu sein wie der Supergangster Al Capone. Bedenkenlos mischte er bei den dunklen Geschäften mit, ließ sich mit der Mafia ein und versuchte, gefälschte Aktien als Sicherheiten für Darlehen zu hinterlegen. 1982 schließlich flog der ganze Schwindel auf. Italiens Justiz erwirkte einen Haftbefehl gegen Marcinkus, seitdem verließ der „Bankier Gottes“ den Vatikan nicht mehr. Als IOR-Bankchef entlassen wurde er erst 1989, ein Jahr später reiste er in die USA aus. Der Vatikan deckt seine Taten bis zum heutigen Tag.

In den 90er Jahren bemühten sich dann Schweizer Gerichte, Licht in den Bankenskandal zu bringen. Ein Auslieferungsersuchen für Marcinkus lehnte das US-Justizministerium 1994 ab mit der Begründung, der Kardinal sei in seiner Funktion als Berater des Vatikans auch als Pensionär vor Strafverfolgung immun. Daraufhin wurde der Fall in der Schweiz geschlossen. Seither genießt Marcinkus unbehelligt seinen Ruhestand. Heute lebt der 83-Jährige in der Rentner- und Golfstadt Sun City in Arizona. Hier dürfen nur Familien hinziehen, von denen einer mindestens 55 Jahre alt ist. Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren ist der Aufenthalt verboten.

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