zum Hauptinhalt
Alt und neu. Die „Rixdorfer Fassbrause“ wird nach Originalrezept gebraut, die Krombacher Limo nicht.

© Doris Spiekermann-Klaas

Der Bierabsatz sinkt: Berliner Brause soll Brauer retten

In Berlin kennt jeder die Fassbrause. Jetzt wollen Veltins und Krombacher die Traditionslimo auch bundesweit verkaufen. Allerdings mit neuen Rezepten und in anderen Geschmacksrichtungen.

Früher war die Welt für die deutschen Brauer noch in Ordnung. Früher, das war 1976. 150,9 Liter Bier trank damals jeder Deutsche. Und weil in dieser Rechnung auch Säuglinge, Abstinenzler und Greise enthalten sind, kann man ungefähr ahnen, wie viele Liter jeder Deutsche im trinkfähigen Alter in sich hineingeschüttet haben muss. Doch 1976 ist lange her. Seitdem geht es bergab. „Wir setzen jedes Jahr ein bis zwei Prozent weniger ab“, bedauert Marc-Oliver Huhnholz, Sprecher des Deutschen Brauer-Bundes. Vorläufiger Tiefpunkt war das vergangene Jahr mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 107,2 Liter Bier.

Die Brauer sehen sich als Opfer der neuen Zeit. Als die Menschen noch in Fabriken oder auf dem Bau schufteten, gehörte die Flasche Bier zum Arbeitsalltag. „Heute ertränken die Leute ihren Frust am Schreibtisch mit Kaffee statt mit Bier“, sagt Huhnholz. Das klingt scherzhaft, ist aber ernst gemeint. In der modernen Arbeitswelt ist Alkohol in vielen Betrieben verboten. Und auch im Straßenverkehr sind die Promilleregeln strenger geworden. Das ist schlecht fürs klassische Brauereigewerbe.

Was tun? In ihrer Not haben die Brauereien jetzt ein Traditionsgetränk entdeckt – die gute alte Fassbrause. Die Kräuterlimonade, die vor über 100 Jahren in Berlin erfunden wurde, wird in der Branche als Heilsbringer gefeiert. Die Kölner Brauerei Gaffel machte den Anfang. Mit Erfolg. Das ermunterte andere. Weitere kleine Häuser folgten, jetzt sind auch die großen auf den Geschmack gekommen. Seit April verkaufen Veltins und Krombacher ihre Fassbrausen in ganz Deutschland, seit dem Sommer hängen auch in Berlin großformatige Werbeplakate. Fassbrause sei „frisch, alkoholfrei“ und mit gut 20 Kalorien pro 100 Milliliter das richtige Getränk für die „ernährungsbewusste Gruppe der Überachtzehnjährigen“, schwärmt Veltins-Sprecher Ulrich Biene. Die Generation 18plus schenkt sich derzeit besonders gern alkoholfreies Weizen ein oder eine der neuen Mode-Limonaden aus der Region. Nun sollen sie auch Fassbrause trinken. „Fassbrausen liegen voll im Trend“, heißt es bei Krombacher, „als alternatives Erfrischungsgetränk zu Mineralwasser und herkömmlichen Limonaden.“

Um der Brause zum nationalen Durchbruch zu verhelfen, setzen Veltins und Krombacher auf zwei Geschmacksrichtungen – Zitrone und Holunder, eine Reminiszens an Bionade-Zeiten. Und auch die Hamburger Holsten-Brauerei, die zum dänischen Carlsberg-Konzern gehört, hat den „Kultklassiker aus Kindheitstagen“ entdeckt, beschränkt sich mit ihrer Zitronenbrause aber derzeit auf den Norden. Insgesamt 200 000 Hektoliter Fassbrause will die Branche bis Ende des Jahres absetzen. Das könnte klappen. Krombacher hat bislang 23 000 Hektoliter verkauft, Veltins 40 000. Dabei ist die Markteinführung noch gar nicht abgeschlossen. 15 bis 18 Monate dauert es, bis wirklich alle Läden versorgt sind, berichtet Veltins-Sprecher Biene. In vielen Berliner Supermärkten sucht man die neue Brauerbrause daher – noch – vergeblich.

Warum die Berliner keine Angst vor der Konkurrenz haben.

Stattdessen trifft man dort überall auf den Klassiker – die „Rixdorfer Fassbrause“. In den Pet-Flaschen kommt sie vom Mineralwasserhersteller Bad Liebenwerda, in den trendigen, kleinen Glasflaschen von der Berliner Kindl-Brauerei. Drin ist dasselbe. Beide brauen nach dem Originalrezept, die Rechte liegen bei Dr. Oetker, der Kindl-Mutter. Die neue Konkurrenz sehen beide Firmen gelassen. „Die werden es schwer haben“, glaubt Ingolf Hänsgen, Marketingleiter von Bad Liebenwerda. Jedes Jahr verkaufe sein Haus mehrere Millionen Flaschen Fassbrause, das sei „eine ganz starke Marke“. Bei Berliner Kindl hofft man auf die Geschmackstreue der Berliner. Die neuen Fassbrausen würden sich in Farbe, Zutaten und Geschmack von der ursprünglichen Fassbrause doch „sehr deutlich unterscheiden“, gibt Marketingleiterin Antonia Elter zu bedenken.

Das stimmt. Denn während die Berliner Fassbrause aus Malzextrakt, Wasser, Zucker, Zitronensäure und natürlichen Kräuteraromen gebraut wird und kein Bier enthält, mischen die meisten Brauer ihr Erfrischungsgetränk mit alkoholfreiem Bier. Dadurch wird die Brause im Abgang herber. Nur Krombacher arbeitet ebenfalls mit Malz, setzt aber Fruchtzutaten zu. Bier, Frucht – alles ist erlaubt. Der Begriff Fassbrause ist rechtlich nicht geschützt.

Die Fassbrause ist nicht der erste Versuch der Branche, mit neuen Produkten den Rückgang im klassischen Biergeschäft auszugleichen. Nicht alles hatte Erfolg. Während alkoholfreies Bier von Jahr zu Jahr besser läuft, haben die Biermischgetränke ihre beste Zeit hinter sich. Am gesamten Biermarkt haben sie einen Anteil von vier bis sechs Prozent, und es wird eher weniger als mehr. Obwohl die Brauer immer erfinderischer werden, allen voran Marktführer Veltins. Doch das pechschwarze Powerfruit-Gemisch V+ mit Guarana oder das quietschblaue, nach Erdbeer schmeckende V+ Energy ist nun wirklich nichts für jedermann. Genauso wie die Bier-Cappuccino-Mischung von Veltins oder das Prosecco-Bier „Eve“ von Carlsberg. Beide kamen und waren schnell wieder weg. Kein Wunder.

Ob der Brauerbrause dasselbe Schicksal droht, bleibt abzuwarten. Doch egal was im Rest der Republik geschieht, Berlin hält an der Fassbrause fest. Seit Mittwoch gibt es sogar eine neue Sorte, die „Kreuzbär Fassbrause“ – mit Koffein. Sie wird im Brauhaus Südstern hergestellt und von Hand abgefüllt. „Lange genug haben neumodische Szenelimos um die Gunst unserer Kehle gebuhlt“, sagt Jan Schöning, einer der vier Firmengründer, „dabei hat Berlin doch selbst seit über 100 Jahren mit Berliner Fassbrause eine ganz besonders schmackhafte Erfrischung, auf welche es stolz sein kann.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false