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Wirtschaft: Der BSE-Skandal schürte nationale Ängste, die mit der Aufhebung des Exportverbotes am 1. August erneut auftauchen

Vom heutigen 1. August an darf Großbritannien wieder Rindfleisch exportieren.

Vom heutigen 1. August an darf Großbritannien wieder Rindfleisch exportieren. Vor zwei Wochen hatte die EU-Kommission das wegen der Tierseuche BSE im März 1996 von Brüssel verhängte weltweite Ausfuhrverbot wieder aufgehoben. Müssen nun die Verbraucher befürchten, beim Metzger BSE-infizierte Waren zu bekommen?

Wen solche Schreckensvorstellungen peinigen, dem droht nun unter Umständen ein doppelter Schock. Denn in Wirklichkeit ist British Beef bereits seit geraumer Zeit wieder diesseits des Kanals zu kaufen - theoretisch wenigstens. Die nordirischen Züchter wurden nämlich schon vor rund einem halben Jahr aus dem allgemeinen Embargo herausgenommen. Vorausgesetzt, sie erfüllten die von der EU erlassenen strengen Auflagen. Bislang, so heißt es in Brüssel, sei es allerdings erst einem Unternehmen gelungen, seine Steaks auf dem Kontinent loszuschlagen. Und wie es aussieht, dürfte auch nach dem 1. August Fleisch aus England, Wales oder Schottland nicht zum großen Renner auf den europäischen Märkten werden.

Mit ihrem Aufhebungsbeschluss folgte die EU-Kommission den Empfehlungen ihrer obersten Veterinärinstanzen, in denen alle Mitgliedstaaten vertreten sind. Diese waren nach jahrelangen Kontrollen und eingehenden Prüfungen zu dem Schluss gekommen: Die BSE-Seuche ist gebannt, das Fleisch ist sicher und sollte wieder überall verkauft werden können, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Dazu gehört, dass die Exporterlaubnis nur für Betriebe gilt, bei denen die Krankheit mindestens drei Jahre lang nicht mehr aufgetreten ist. Die geschlachteten Tiere dürfen ebenfalls nicht älter als drei Jahre sein, und es darf sich allein um reines Muskelfleisch ohne Gewebeteile und auch nicht um Innereien handeln.

Selbst kritische Europa-Abgeordnete, die sich dem Verbraucherschutz verschrieben haben, räumen mittlerweile ein, dass ein Beibehalten der Ausfuhrsperre nicht mehr mit Gesundheitsvorsorge zu begründen wäre, sondern es sich nur noch um Protektionismus, also die Abwehr einer ungeliebten Konkurrenz handeln würde. Tatsächlich gibt es wohl kaum einen Lebensmittelbereich, dem so viel Aufmerksamkeit zuteil geworden ist und der dermaßen lückenlos überwacht wird wie britisches Rindfleisch. Hunderttausende von Tieren mussten auf der Insel getötet werden, "unsichere" Schlachthöfe wurden dutzendweise geschlossen. Doch die Affäre wirkt weit über Großbritannien hinaus.

Der BSE-Skandal hat nicht nur die Bauern dort wirtschaftlich ins Mark getroffen, er führte auch zu einem völlig neuen Bewusstsein bei den Verbrauchern und zu tiefgreifenden Veränderungen in der europäischen Ernährungspolitik. Er warf die Frage auf, ob und inwieweit in einem inzwischen grenzenlos gewordenen Markt die von den Mitgliedstaaten noch immer geradezu eifersüchtig gewahrten Ansprüche auf weitgehend nur nationale Kontrollen überhaupt haltbar sind. Gewiss, die BSE-Krise war der Gipfel. Doch auch die Länder auf dem Kontinent hatten in derselben Zeit ihre Skandale und Affären. So wie in Belgien wurden auch in Deutschland Fälle bekannt, wo Rinderzüchter unter tätiger Mithilfe von Tierärzten die Fleischproduktion durch missbräuchlich verabreichte Hormone kräftig steigerten. Auch deutsche Betriebe verarbeiteten billige, auf kriminellen Umwegen aus Großbritannien geschmuggelte Ware. Und als in Niedersachsen die Schweinepest grassierte, gab es in mehr als nur einer unteren Behörde Leute, die versuchten, die Fälle zu vertuschen.

Nicht zuletzt die jüngste Affäre in Belgien mit Dioxin-verseuchten Hühnern und Eiern machte erneut deutlich, welche Probleme mit der nationalen Überwachung verbunden sind. Wie bei den BSE-Rindern in Großbritannien lag auch bei den Dioxin-Hühnern in Belgien die Quelle der Verseuchung bei den Futtermitteln - hier BSE-verseuchtes Tiermehl, dort mit giftigen Ölen versetzte Körner. Das Futter wird verfüttert, weil es billig ist und weil die Kunden billiges Fleisch wollen. Vor zwei Jahren wurde in Brüssel der deutsche EU-Beamte Horst Reichenbach in der Kommission dazu berufen, den Kampf nicht nur gegen den BSE-, sondern diesen Wahnsinn allgemein aufzunehmen. Damals hatte der heute 54-Jährige Kieler ganze 40 Kontrollbeamte (darunter 25 Veterinäre) zur Verfügung, um in der EU nach dem Rechten zu sehen. Mittlerweile ist die Zahl auf etwa 150 aufgestockt, und es wurde eine spezielle Inspektionszentrale der EU mit Sitz in Irland geschaffen. Zwar kann Reichenbach noch immer nicht überall tätig werden. "Aber", sagt er, "es ist schon sehr viel besser geworden".

Gisbert Kuhn

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