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Deutschlands Kommunen sind überschuldet.

© dpa

Der Bürger zahlt: Städte und Gemeinden suchen Wege aus der Schuldenfalle

Jede dritte Kommune in Deutschland kann ihre Schuldenlast nicht mehr alleine tragen – und sucht Entlastung beim Gebührenzahler.

Griechische Verhältnisse in deutschen Städten und Gemeinden: Jede dritte Kommune kann ihre Schulden nicht mehr aus eigener Kraft zurückzahlen. Dies ergab eine Umfrage der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young bei 300 Kommunen, von denen mehr als die Hälfte das Haushaltsjahr 2012 mit roten Zahlen abschließen wird – drei Prozentpunkte mehr als 2011. Der Aufschwung mit steigenden Einnahmen war für viele Kämmerer nur ein Strohfeuer: Schon im kommenden Jahr erwarten sie wieder sinkende Einnahmen. Vor allem in strukturschwachen Regionen rutschen Kommunen in die Schuldenfalle. Nur 38 Prozent rechnen in der Zukunft mit sinkenden Lasten. Ein zentraler Grund: Steigende Sozialausgaben, die überwiegend durch Bundesgesetze geregelt sind, die sich dem Einflussbereich der Kommunen entziehen.

Die Konsequenzen bekommen die Bürger zu spüren: „Auf sie kommt eine neue Welle von Steuer- und Gebührenerhöhungen zu“, prognostizierte am Donnerstag Ernst-&-Young-Partner Hans-Peter Busson in Berlin. Angesichts der ebenfalls stark steigenden Energiekosten sei mit den Belastungen bei vielen Bürgern die Schmerzgrenze „bald erreicht oder schon überschritten“. 81 Prozent der Kommunen wollen demnach 2012/13 Steuern und Gebühren erhöhen. So will jede dritte Gemeinde der Umfrage zufolge die Grundsteuer für Immobilienbesitzer anheben, die Gebühren für Kindertagesstätten oder Ganztagsschulen wollen 35 Prozent erhöhen, die Friedhofsgebühren steigen in jeder dritten Kommune. Gleichzeitig wird bei den Ausgaben gespart. 41 Prozent planen, Leistungen zu reduzieren oder abzuschaffen – etwa bei der Straßenbeleuchtung oder der Kinder- und Seniorenbetreuung. „Die Kommunen, denen es heute schon schlecht geht, geraten immer stärker in den Abwärtsstrudel“, sagte Busson. Die Gemeinde- und Stadtverwaltungen verlören zunehmend ihre Handlungsfähigkeit.

Die Probleme gleichen denen in Griechenland.

Eine weitere Parallele zu den Problemen Griechenlands: Die verschuldeten Städte und Gemeinden bekommen kaum noch Kredit – oder müssen höhere Zinsen zahlen. Drei von vier Stadtkämmerern gehen zudem davon aus, dass am Kapitalmarkt ein Kommunenrating wahrscheinlicher wird, die Banken und andere Geldgeber künftig also Noten für die Kreditwürdigkeit der Kommunen vergeben. „Sollte es zu einem individuellen Rating kommen, müssen sich viele Städte und Gemeinden auf schlechtere Kreditkonditionen, sprich höhere Kreditzinsen, einstellen“, warnte Hans-Peter Busson. Entsprechende Vorbereitungen werden in der Finanzwirtschaft getroffen: „Banken werden ihre Geschäftsmodelle überprüfen und Kredit- und Liquiditätsrisiken neu bewerten“, heißt es in einem Positionspapier des Bankenverbandes aus dem Frühjahr. Darin wird auf die strengeren Eigenkapitalvorschriften verwiesen, die zu höheren Kosten führten – und die Banken sensibler für Risiken machten. „Die europäische Staatsschuldenkrise hat dabei den Blick für Ausfallrisiken auch im Kommunalkreditbereich geschärft.“

Die dramatische Finanzlage zwingt auch die Kommunalaufsicht zu schärferen Kontrollen: Immer mehr Städte und Gemeinden müssen Haushaltssicherungskonzepte erstellen. In den vergangenen drei Jahren mussten laut Ernst & Young 45 Prozent der Kommunen den Aufsehern Spar- und Schuldenabbaupläne vorlegen.

Ernst & Young schlussfolgert, dass die lange geforderte Reform der Kommunalfinanzen nötiger sei denn je. Die Kommunen müssten stärker über ihre Einnahmen und Ausgaben entscheiden können.

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