zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Der Chef der Regulierungsbehörde für Telekommunikation Klaus-Dieter Scheurle im Gespräch:

"Erst wenn auch im Ortsnetz echte Konkurrenz besteht, ist die Regulierungsbehörde überflüssig"Klaus-Dieter Scheurle (44) ist seit dem 1. Januar 1998 Präsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post.

"Erst wenn auch im Ortsnetz echte Konkurrenz besteht, ist die Regulierungsbehörde überflüssig"

Klaus-Dieter Scheurle (44) ist seit dem 1. Januar 1998 Präsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post. Die Aufgabe des Juristen ist es, den Wettbewerb auf dem liberalisierten Telekommunikationsmarkt in Gang zu bringen. er soll dafür sorgen, dass auch junge Unternehmen gegen den großen Ex-Monopolisten Deutsche Telekom eine Chance haben. Mit Scheurle sprach Corinna Visser.

Herr Scheurle, haben Sie noch den Überblick über die vielen Anbieter auf dem Telefonmarkt?

Natürlich.

Und, wie viele sind es?

Knapp 1700 Unternehmen bieten Telekommunikationsdienstleistungen an. Rund 250 von ihnen haben die Lizenz, Leitungen zu betreiben oder Sprachtelefondienste anzubieten.

Wie viele werden es am Ende des Jahres sein?

Ich glaube nicht, dass sich die Zahl der Wettbewerber am Ende des Jahres stark vermindert haben wird. Der Markt wird aber die Bedingungen für die ökonomisch richtige Unternehmensgröße setzen. Und in einem offenen und innovativen Markt wie der Telekommunikation kommen auch immer wieder neue Unternehmen hinzu, die wir heute noch gar nicht kennen. Derzeit sind bei uns 180 Lizenzanträge in Bearbeitung.

Bleibt die Telekommunikation eine Jobmaschine?

Die Wettbewerber haben im Ergebnis mehr Arbeitsplätze geschaffen, als die Deutsche Telekom bisher abgebaut hat. Wir haben im Saldo eine leicht positive Entwicklung, die sich fortsetzen wird. Aber volkswirtschaftlich betrachtet ist der Effekt der Liberalisierung viel größer: Durch den Wettbewerb bei Telekommunikationsnetzen und -diensten erleben wir einen Schub auf dem Weg in die Informationsgesellschaft, so dass Deutschland im internationalen Konzert in der ersten Reihe mitspielen kann. Je preiswerter Telekommunikationsleistungen eingekauft werden können, desto mehr Gelder stehen für andere Investitionen zur Verfügung. Ferngespräche sind seit der Marktöffnung immerhin um bis zu 85 Prozent billiger geworden.

Werden sie noch billiger?

Tendenziell ja - allerdings nicht mehr mit so großen Sprüngen wie in 1998.

Debitel will jetzt aus dem Call-by-Call-Geschäft mit den Einzelgesprächen ohne Vertragsbindung aussteigen, weil es sich nicht mehr lohnt. Ist das der Anfang vom Ende des Preiskriegs im Festnetz?

Dies ist eine singuläre Firmen-Entscheidung. Call-by-Call war wichtig und bleibt auch in Zukunft von großer Bedeutung. Im Übrigen ist jeder Netzbetreiber gesetzlich verpflichtet, in seinem Netz die Technik vorzuhalten, die Call-by-Call ermöglicht.

Die Telekom hat die Zusammenschaltungs-Verträge mit ihren Wettbewerbern zum Ende des Jahres gekündigt. Werden dadurch die Telefongespräche von Firmen, die die Leitungen der Telekom brauchen, teurer?

Das ist auf keinen Fall zu befürchten. Die geltenden Preise und das Interconnection-System haben sich im internationalen Vergleich bewährt. Diese Erfahrung werden wir bei der Prüfung der Preise für Zusammenschaltungen im nächsten Jahr beachten.

Wenn alle dieselben Preise anbieten, wie kann sich dann ein Unternehmen noch von den anderen unterscheiden?

Es kann sich durch sein Produkt und seinen Service abheben. Gerade in diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass wir den Konkurrenten der Telekom Zugang zum Ortsnetz gewährt haben. Nur so können sie die Bedürfnisse ihrer Kunden direkt bedienen oder auch mit speziellen Angeboten und einem guten Service befriedigen.

Ihre Behörde, sagen Sie, steht auf der Seite der Verbraucher. Mit welchen Problemen kommen die Kunden zu Ihnen?

An oberster Stelle steht das ganz große Thema Telefonrechnung. Gefolgt von Thema Nummer zwei: dem Einzelverbindungsnachweis. Denn noch immer bieten ihn nicht alle Unternehmen kostenlos an, obwohl sie dazu verpflichtet sind. Wenn es Probleme mit der Rechnung gibt, treten wir als Schlichter auf.

Rechnen Sie auch im Mobilfunk mit sinkenden Preisen?

Ja. Hier gibt es noch sehr komfortable Margen.

Dann gibt es ja noch Raum für neue Unternehmen.

Es gibt aber nicht unbeschränkt Frequenzen. Wir versteigern zwar im Herbst zusätzliche Frequenzen, aber die würden nicht ausreichen, um ein neues Netz aufzubauen. Zu der Versteigerung sind daher nur die jetzigen vier Mobilfunk-Betreiber zugelassen. Mit der Vergabe dieser zusätzlichen Frequenzen verbinde ich die Erwartung nach einer höheren Qualität und verbesserten Netzzugangskapazitäten für den Mobilfunk-Kunden. Bei der Vergabe der Lizenzen für die dritte Mobilfunk-Generation, zum Beispiel UMTS (Universal Mobile Telecommunications System), werden wir wahrscheinlich weitere Anbieter zulassen. Das letzte Wort ist hierbei allerdings noch nicht gesprochen.

Was ist UMTS?

UMTS macht Multimedia-Anwendungen im Mobilfunk möglich. Der Kunde kann also nicht nur telefonieren, sondern auch bewegte Bilder empfangen oder übertragen, Daten verschicken und schnell im Internet surfen.

Dann werden sich also nicht nur Telefongesellschaften um die Lizenzen bewerben?

Möglicherweise werden auch Software-Hersteller und Internet-Anbieter darunter sein. Breite Schultern sind nötig, denn nur mit Milliarden-Investitionen kann ein solches Netz aufgebaut werden. Insofern wird die Zahl der Unternehmen, die sich bewerben werden, begrenzt sein. Im Interesse des Wettbewerbs und damit der Verbraucher werden wir dennoch so viele Lizenzen wie möglich ausgeben. Wir denken an mindestens fünf. Das ist aber noch in der Prüfung.

Die Telekom hat den britischen Mobilfunkbetreiber One-2-One gekauft. War das ein richtiger Schritt, um im internationalen Wettbewerb ganz vorne dabei zu sein?

Das habe ich nicht zu bewerten. Es ist ein Schritt, der nicht überrascht. Denn Großbritannien ist einer der wichtigsten europäischen Märkte. Wenn die Telekom ein Global Player werden will, dann muss sie auf den britischen Markt gehen.

Und welchen Einfluss hat das auf den deutschen Markt?

One-2-One ist für innovative Marketingkonzepte bekannt. Das kann sich nur positiv auf den deutschen Markt auswirken.

Warum kommt hierzulande der Wettbewerb im Ortsnetz nicht in Gang?

Es gibt bereits Wettbewerb im Ortsnetz, der ist allerdings noch ein zartes Pflänzchen. Denn es ist klar, dass der Wettbewerb immer auf den Fernstrecken beginnt. Das liegt vor allem daran, dass man auf den Fernstrecken große Bündel von Telefongesprächen auf einer Leitung abwickeln kann. Das ist einfacher und kostengünstiger als bei Ortsgesprächen. Da muss man für jeden einzelnen Kunden eine eigene Infrastruktur aufbauen oder mieten. Einfach ausgedrückt, um 1000 Kunden direkt anzuschließen brauchen Sie eben 1000 Leitungen. Auf der Fernstrecke dagegen reicht eine Leitung für weit mehr als 1000 Kunden.

Wie lange wird es noch dauern, bis in den Großstädten wenigstens ein Anbieter der Telekom Konkurrenz macht?

Für die Großkunden haben wir bundesweit schon Wettbewerb. Bis es auch für Privatkunden in allen Ballungsgebieten mehrere Alternativen geben wird, wird es noch ein bis zwei Jahre dauern. Aber der Wettbewerb im Ortsnetz nimmt immer weiter zu.

Wann werden Ortsgespräche billiger?

Sobald der Wettbewerb dort spürbar wird. Die Wettbewerber werden daneben versuchen, mit neueren Produkten und gutem Service zu glänzen.

Direktanschlüsse sind auch über das TV-Kabel möglich. Warum sorgen Sie nicht für einen beschleunigten Ausbau?

Die Telekom ist offensichtlich selbst nicht bereit, das Kabel aufzurüsten. Das müsste sie aber, wenn es auch für Telekommunikationszwecke genutzt werden soll. Andere Länder sind hier schon weiter. Wir können die Telekom aber nicht zu einer Investition zwingen.

Die rasante Entwicklung auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt wird weltweit bewundert. Macht Ihnen der Job noch Spaß?

Natürlich. Und jeden Tag stellen sich neue Herausforderungen. Wir sehen mit Genugtuung, wie sich unsere Arbeit volkswirtschaftlich positiv bemerkbar macht. Das Statistische Bundesamt hat belegt, dass die Inflationsrate hierzulande ohne die Preisentwicklung auf dem Telekommunikations-markt nicht so niedrig wäre, wie sie ist.

Wann wird die Regulierungsbehörde sich selbst überflüssig gemacht haben?

Darüber kann man nachdenken, wenn die Wettbewerber auch im Ortsnetz richtig Fuß gefasst und eine ausreichende Marktmacht haben, um vernünftige Verträge mit der Telekom abschließen zu können. Im Moment ist die Regulierung noch notwendig. © 1999

Herr Scheurle[haben Sie noch den Überblick &]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false