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Wirtschaft: Der Dax wird norddeutscher

Beiersdorf und Salzgitter sollen erstmals in den Leitindex der 30 wichtigsten Aktien aufrücken

Berlin - Die Karte hat Schlagseite, das Gewicht liegt auf dem Süden und Westen der Republik. Dort haben die meisten der 30 größten deutschen Aktiengesellschaften, die im Leitindex Dax zusammengefasst sind, ihren Sitz. Die großen Banken residieren in Frankfurt am Main, die Energieversorger und die drei Nachfolger der alten Bundespost in Nordrhein-Westfalen. Und Bayerns Landeshauptstadt hat von allem etwas: Gleich acht Dax-Konzerne hatten bisher ihr Hauptquartier in München. Der Norden und der Osten sind weitgehend Dax-Niemandsland. Zum Abschluss des turbulenten Börsenjahres dürfte sich das ändern.

Am späten Mittwochabend wollte die Deutsche Börse über eine Neuordnung des Dax entscheiden: Als Abstiegskandidaten galten bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe der Autozulieferer Continental mit Hauptsitz in Hannover und der angeschlagene Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate aus München. Als Aufsteiger wurden der Stahlproduzent Salzgitter mit Sitz in der niedersächsischen Stadt gleichen Namens gehandelt. Und erstmals in der 20-jährigen Geschichte des Dax dürfte jetzt auch die Handelsmetropole Hamburg mit einem Unternehmen im Dax vertreten sein: Der Nivea-Hersteller Beiersdorf werde in den Index einziehen, hieß es.

Wer sind die Debütanten? Bringen sie mehr Glanz und Spannung in den Dax? Beiersdorf ist mit seinen Pflegeprodukten Kunden in aller Welt ein Begriff. Die 125-jährige Unternehmensgeschichte verlief gemessen daran eher ruhig: Größere Aufregung gab es zuletzt 2004, als der US-Konkurrent Procter & Gamble eine Übernahme plante. Doch die Hamburger Familie Herz (Tchibo) eilte zu Hilfe und kaufte die Mehrheit an Beiersdorf. Die Hamburger blieben unter sich. Der Vorstandsvorsitzende Thomas-B. Quaas, erst der fünfte Chef seit Kriegsende, räumte dem Aufstieg in die erste Börsenliga auch keine Priorität ein. „Eine stabile Aktionärsstruktur ist viel wichtiger, weil wir uns dadurch auf die tägliche Arbeit konzentrieren können“, hatte er bei seinem Amtsantritt 2005 gesagt.

Allerdings weiß man auch bei Beiersdorf um die Vorteile einer Aufnahme in den Leitindex: Die Dax-Zugehörigkeit steigert das Prestige und wirkt sich fast automatisch positiv auf den Aktienkurs aus. Denn Fonds, die den Dax abbilden, sind verpflichtet, Papiere aller 30 Unternehmen in dem Segment zu kaufen – und zu halten. Das bisher im M-Dax der mittelgroßen Werte gelistete Papier hatte in den vergangenen drei Monaten gut acht Prozent zugelegt, während der M-Dax selbst im gleichen Zeitraum mehr als 40 Prozent verlor. Die Menschen waschen sich eben auch in Zeiten der Krise die Haare.

Der Stahlproduzent Salzgitter, der zweite Aufstiegskandidat, ist dagegen deutlich abhängiger von der Konjunktur. Der Kurs des Unternehmens, das mit 10,19 Milliarden Euro 2007 fast doppelt so viel Umsatz machte wie Beiersdorf (5,51 Milliarden), ist seit dem Sommer von über 140 Euro auf rund 45 Euro eingebrochen. Allerdings steht das Unternehmen gegenüber den Wettbewerbern relativ gut da. Ein Grund dürfte sein, dass sich Salzgitter auf die Herstellung von Nischenprodukten spezialisiert – wie etwa Röhren für Pipelines. Der jüngste Einbruch verschleiert zudem, dass die Salzgitter-Aktie vor fünf Jahren gerade mal rund sechs Euro wert war.

Auch wenn das Unternehmen in der breiten Öffentlichkeit viel unbekannter ist als Beiersdorf, blickt es doch auf eine noch längere Tradition zurück: Die Vorläuferin der heutigen AG wurde bereits 1858 gegründet. Mit Salzgitter würden also 150 Jahre Unternehmensgeschichte in den 20 Jahre alten Dax einziehen.

Berlin war übrigens bis 2006 mit Schering im Dax vertreten – bis zur Übernahme durch Bayer aus Leverkusen. Und vielleicht wäre die Hauptstadt jetzt wieder auf der Dax-Landkarte aufgetaucht, wenn die Bahn an die Börse gegangen wäre. Immerhin hat Berlin einen kleinen Anteil am Erfolg des wahrscheinlichen Aufsteigers aus Hamburg: Seit 1980 produziert die Beiersdorf-Tochter Cosmed-Produktions GmbH mit Sitz an der Franklinstraße in Charlottenburg-Wilmersdorf jährlich 120 Millionen Flaschen Shampoo für Nivea.

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