zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Der endlose „Vivendi-Alptraum“

Medienkonzern verkauft Verlagsbereich – die Aktie stürzt weiter

Von Sabine Heimgärtner, Paris

Nun geht es ans Eingemachte. Schneller als angekündigt muss der schwer angeschlagene und mit 35 Milliarden Euro verschuldete französische Medienkonzern Vivendi Universal handeln. Noch bei seinem Amtsantritt hätte der neue Firmenchef Jean-René Fourtou (63) nicht im Traum damit gerechnet, dass er fünf Wochen später gezwungen sein könnte, beim weltweit zweitgrößten Medienunternehmen die Notbremse zu ziehen: Vermögenswerte in Höhe von mindestens zehn Milliarden Euro sollen verkauft werden, um zu retten, was zu retten ist.

Betroffen sind vor allem die Bereiche Fernsehen, Musik, Unterhaltung, Telekommunikation und Internet. Der Zeitplan ist eng. Die Hälfte der Verkäufe soll in neun Monaten abgeschlossen sein, sonst muss Vivendi eine noch schlechtere Einstufung der großen Rating-Agenturen und Banken befürchten.

Als erstes Teilunternehmen muss Vivendi Universal Publishing daran glauben, der Verlagsbereich des Medienriesen, zu dem angesehene Blätter wie das französische Nachrichtenmagazin „L’Express“ und „L’Expansion“ gehören. Der Wert des Verlagsbereichs wird auf 2,2 Milliarden Euro geschätzt, nachdem die Sparte allein in den vergangenen sechs Monaten Gewinnrückgänge von 20 Prozent verzeichnete. Interessenten wurden noch nicht genannt, dafür aber eine in den Medien gehandelte Personalie nicht dementiert: Der bisherige Chef des Verlagsbereichs, Eric Licoys, bislang Nummer zwei des Gesamtkonzerns, muss seinen Hut nehmen.

Die jüngsten Turbulenzen in der Pariser Zentrale des amerikanisch-französischen Mediengiganten, der unter Fourtous Vorgänger Jean-Marie Messier wuchs, hatten am vergangenen Mittwoch begonnen: Der Vorstand veröffentlichte einen Nettoverlust von 12,3 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2002. Bereits 2001 hatten sich Verluste von 13,6 Milliarden Euro angesammelt.

Die Ankündigung des Verkaufs von Firmenteilen in zweistelliger Milliarden-Höhe sorgten für Spekulationen in der Branche und einen Börsensturz der Vivendi-Aktie um ein Drittel innerhalb von zwei Tagen. Der Wert des Papiers befand sich bereits seit Jahresbeginn im freien Fall und sackte mit 8,62 Euro zur Wochenmitte zeitweise auf sein historisches Tief. Auch am Donnerstag ging der „Alptraum“ (“Libération") weiter: Analysten berichteten in den Medien, dass der noch vor einem Jahr als Frankreichs erfolgreichstes Unternehmen gefeierte Mischkonzern im kommenden Halbjahr mehr Kredite benötige als vom neuen Vorstand angegeben: Statt drei Milliarden 5,6 Milliarden Euro.

Mit den Enthüllungen ging heftige Kritik am neuen Vivendi-Chef Fourtou einher. Ein New Yorker Börsenhändler: „Man tappt völlig im Dunkeln, bei Messier kannte man wenigstens die Richtung, nämlich eine Schwerpunktbildung im Medienbereich.“ Fourtou habe die Lage nicht im Griff und „von der Branche keine Ahnung." Dennoch: Nach Ansicht aller Betroffenen trägt Foutous Vorgänger die Verantwortung für das Desaster. Der neue Strukturplan sieht nun vor, dass fast alle Messier-Käufe wieder rückgängig gemacht werden sollen, beispielsweise auch der des amerikanischen Schulbuchverlages Houghton Mifflin, den Messier erst vor einem Jahr für 2,2 Milliarden Dollar erwarb.

Nächste „Baustelle“ ist die mit 4,5 Milliarden verschuldete Canal Plus-Gruppe, die Pay-TV-Sparte von Vivendi. Die Aktivitäten in vielen europäischen Ländern von Italien und Spanien über Polen bis Benelux sollen abgestoßen werden. Zur Freude von Rupert Murdoch, wie „Le Figaro“ berichtete. Ausgerechnet der bei der französischen Regierung „regelrecht verhasste“ amerikanisch-australische Medienzar sei es, der nun seine Chance als „Retter“ von Canal Plus erhalte.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false