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Wirtschaft: Der Energie-Konsens ist nicht in Sicht

DÜSSELDORF .Die Energiekonsensgespräche zwischen der Bundesregierung und den Stromkonzernen werden wie geplant nach Ostern fortgesetzt.

DÜSSELDORF .Die Energiekonsensgespräche zwischen der Bundesregierung und den Stromkonzernen werden wie geplant nach Ostern fortgesetzt.Das kündigten Kanzleramtsminister Bodo Hombach (SPD) und der Vorsitzende des Viag-Konzern, Wilhelm Simson, an.Beide betonten am Sonntag ausdrücklich die Notwendigkeit, daß sich Energiewirtschaft und Regierung an einen Tisch setzen müssen.Hombach unterstrich im ZDF noch einmal die Grundsätze rot-grüner Energiepolitik.Es gehe nicht um "Abschaltung auf kaltem Wege".Die Regierung dürfe zudem keine "Entschädigungspflicht entstehen lassen".Zwischen diesen "Leitplanken" könne sich die Koalition "gut bewegen".

Die Gespräche des Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) mit Vertretern der Wirtschaft und der Gewerkschaften in der vergangenen Woche hatten deutlich gemacht, daß die Bausteine für einen Kompromiß noch lange nicht in Sicht sind.Der Kernenergieausstieg sei alleine noch kein energiepolitisches Konzept, so die berechtigte Warnung des Veba-Chefs Ulrich Hartmann.Von den betroffenen Gewerkschaften wird zudem immer mehr das Fehlen energiepolitischer Perspektiven im Lager der Bundesregierung beklagt.Weder Schröder noch sein parteiloser Bundeswirtschaftsminister Werner Müller haben sich bisher aufraffen können, die Eckdaten mit einem Energiekonzept zu präsentieren, das eine wettbewerbsfähige, zuverlässige und umweltverträgliche Versorgung sowie rentable Arbeitsplätze in der Energiewirtschaft sichern kann.

Innerhalb der Gesamtwirtschaft kommt der Strombranche bei den Investitionen eine Schlüsselrolle zu.Wenn jährliche Investitionsbeträge von 15 Mrd.DM in der Elektrizitätswirtschaft massiv zusammengestrichen werden, sind Arbeitsplätze in großem Umfang gefährdet.Im Zuge der Liberalisierung der Strommärkte sind bereits 40 000 Stellen gestrichen worden.Ein gleich hoher Abbau steht in den nächsten Jahren noch an.Mit der Stillegung von Kernkraftwerken ist gleichfalls ein Abbau von 40 000 Arbeitsplätzen verbunden.Und wenn in der Kohlewirtschaft sich die politischen Rahmendaten ungünstig entwickeln sollten, stehen zusätzlich 100 000 Arbeitsplätze auf der Kippe.

Die alte Bundesregierung scheiterte dreimal beim Versuch, einen parteiübergreifenden Energiekonsens zu erreichen.Diesmal steht Schröder als Kanzler in der Verantwortung.Seine Zusagen im Gespräch mit Betriebsräten aus der Kernkraftindustrie - keine vorschnellen Reaktorstillegungen in dieser Legislaturperiode, Wettbewerbsfähigkeit für den Energiestandort Deutschland, Tolerierung von Castor-Transporten - müssen eingehalten werden.

Die Bundesregierung will aus politischen Gründen aus der Kernenergie aussteigen; neue Sicherheitserkenntnisse für die politische Entwertung eines Investitionsvolumens von 120 Mrd.DM liegen nicht vor, so daß die Kernkraftwerksbetreiber Ansprüche auf Schadenersatz geltend machen können.Der Bundeskanzler hat seinen Umweltminister vom Konfrontationskurs erst einmal abbringen können; Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) will ein energiepolitisches Gesamtpaket bis zum Sommer schnüren.Die ursprünglich schon für die ersten 100 Regierungstage geplante Atomrechtsnovelle soll bis Ende des Frühjahrs verschoben werden.Als zuständiger Fachminister bleibt für ein Energieprogramm jedoch Wirtschaftsminister Müller gefragt; er besitzt zudem Vertrauen in der Energiebranche.

Schröder muß an mehreren Fronten kämpfen, damit Kompromisse möglich werden.Bei der Behandlung steuerpflichtig aufzulösender Rückstellungen im Bereich der Kernenergie ist eine Begrenzung des Schadens nach dem Rücktritt von Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine möglich.Ohne Nachbesserungen wollen die Spitzenmanager der Energiebranche mit dem Kanzler über einen Energiekonsens nicht weiter verhandeln.Neben einem Kompromiß in der strittigen Rückstellungsbehandlung, der in einer Arbeitsgruppe bis Ostern vorbereitet werden soll, muß gleichfalls das Entsorgungskonzept grundlegend überarbeitet werden.Alle Akteure müssen sich bewegen, bevor die Schlüsselfrage der Restlaufzeiten im Einvernehmen beantwortet werden kann und ein Vertrag zwischen Bundesregierung und Stromwirtschaft über Laufzeitenbegrenzungen der installierten Reaktoren zustande kommen kann.Bei einem fortbestehenden Energiedissens treten die Investoren wohl den Rückzug an.Schröder will Deutschland als Standort für Stromerzeuger attraktiv gestalten.Bei der Entsorgung von Atommüll drohen schon bald Engpässe.

HEINZ JÜRGEN SCHÜRMANN (HB)

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