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Wirtschaft: Der erste Sprit aus der Skandal-Raffinerie

Leuna 2000 nimmt ihre Arbeit auf / 2500 Arbeitsplätze geschaffenVON EBERHARD LÖBLICH MERSEBURG.Der Fahrer des Tanklastzuges war verdutzt.

Leuna 2000 nimmt ihre Arbeit auf / 2500 Arbeitsplätze geschaffenVON EBERHARD LÖBLICH MERSEBURG.Der Fahrer des Tanklastzuges war verdutzt.Was für ihn eine ganz normale Tätigkeit war, nämlich der Transport von Kraftstoffen, war zahlreichen Journalisten gestern eine Reise nach Merseburg wert.Denn der Sprit, den dieser Tankwagen zu einer Merseburger Elf-Tankstelle brachte, war der erste in der neuen Raffinerie Leuna 2000 bei Merseburg produzierte und ausgelieferte Kraftstoff."Der seit November laufende Anfahrprozeß für den Raffinerieneubau ist nahezu abgeschlossen", sagt der Sprecher der mitteldeutschen Erdöl-Raffinerie GmbH (MIDER), Olaf Wagner. Wohl kaum eine andere Großinvestition in den neuen Ländern sorgte so regelmäßig für Negativschlagzeilen wie Leuna 2000.Unklar ist, was an den Vorwürfen französischer Medien gegenüber dem Staatskonzern Elf Aquitaine dran ist, dieser habe die CDU mit Millionenbeträgen geschmiert, um den Zuschlag für den Raffinerieneubau und das von der Treuhand als Morgengabe in dieses Projekt eingebrachte lukrative Netz der Minol-Tankstellen zu erhalten.Im Raum stehen auch noch Vorwürfe gegenüber Bundeskanzler Kohl und der einstigen Treuhandchefin Breuel, diese hätten den französischen Konzern im Jahr 1994 erpreßt, um zu verhindern, daß Elf aussteigt. Wie berechtigt die Vorwürfe wirklich sind, darüber kann vermutlich nur das Tagebuch Aufschluß geben, das Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Klaus Schucht, der seinerzeit als Treuhand-Direktor den Deal eingefädelt hatte, während der Privatisierungsverhandlungen führte und anschließend dem Bundesarchiv mit der Auflage übergab, es erst 20 Jahre nach seinem Tod zu veröffentlichen.Nur die Mitglieder des Treuhand-Untersuchungsausschusses dürfen bereits jetzt schon schmökern. Fest steht aber, daß mit dem Raffinerieneubau mehr als 2500 Arbeitsplätze geschaffen worden sind, 550 davon unmittelbar in der Raffinerie und 2000 in Tochterunternehmen.Bis zu 9,7 Mill.Tonnen Rohöl können in der modernsten Raffinerie Europas jährlich verarbeitet werden.Das Rohöl kommt über Pipelines direkt aus Rußland oder von den Ostseehäfen Rostock und Danzig und wird bei Leuna 2000 vorzugsweise zu Kraftstoffen, Heizöl und Flüssiggas weiterverarbeitet.Die Inbetriebnahme von Leuna 2000 bedeutete aber auch das Aus für zahlreiche Beschäftigte in anderen Unternehmen des Chemiedreiecks. Vertreter der BVS waren bei der Auslieferung des Leuna-2000-Kraftstoffes nicht zu sehen.Erst kürzlich war ein langjähriger Streit zwischen der Treuhandnachfolgerin und Elf über die Beteiligungsverhältnisse an der MIDER durch einen Vergleich beigelegt worden.Elf erhält danach eine Entschädigung von 360 Mill.DM aus dem BVS-Haushalt und verzichtet dafür auf die im Sommer 1994 vereinbarte Beteiligung der BVS von 33 Prozent an der MIDER.Der Vergleich bedarf aber noch der Genehmigung durch die EU.

EBERHARD LÖBLICH

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