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Wirtschaft: Der Euro ist süß und weich, und er ist lange da

Was heißt hier: "Der Euro kommt"? Der Euro ist da.

Was heißt hier: "Der Euro kommt"? Der Euro ist da.Schon lange.Seit vielen Monaten ist er das offizielle Zahlungsmittel in den Kaufmannsläden aller Kinderzimmer.Doch dieser Euro ist nicht hart.Eher süß.Manchmal auch weich.Unter seiner silbernen oder goldenen Metallfolie ist er aus Vollmilchschokolade, deren Härte mit der Körpertemperatur des naschenden Konsumenten variiert.Eigentliches Ziel aller Zahlungsvorgänge im Kinderzimmer ist die orale Geldvernichtung.Wobei es den Kindern in der Regel egal ist, welche Währung sie in den Mund stecken.

Nicht aber den anderen Kunden des Herstellers des Schokoladeneuros, der Firma Georg Woltersdorf aus Erkelenz."Der Euro ist der Renner des Jahres", sagt Inhaber und Geschäftsführer Frank Jansen.40 Prozent ("mindestens") aller Taler, die die Firma in Schokolade presse, trügen die europäische Prägung.Doch Jansen kann auch andere Währungen herstellen.Über 5000 verschiedene Maschinensätze stehen dem Unternehmer zur Verfügung.Er kann Schokoladen-Rupien herstellen oder auch usbekische Schokoladen-Sum.US-Schokoladen-Dollar sowieso.Sum und Rupie werden zur Zeit nicht hergestellt, weil weder indische, noch usbekische Auftraggeber zu Jansens Kunden zählen.Anders die Vereinigten Staaten.Der Dollar ist Jansens zweites Schokoladenstandbein.

An den Euro kommt jedoch nichts ran.Jansen charakterisiert seine Kunden als "alle, die zeigen wollen, daß sie fit sind für den Euro".Fit sind vor allem Unternehmen mit Geschäftskontakten ins europäische Ausland.Weil sie sich fit fühlen, bestellen sie bei Jansen.Der Schokoladeneuro ist bei den meisten in erster Linie Werbung, in zweiter Linie Naschwerk.Das Näherrücken der Währungsunion schlug sich in Jansens Auftragsbüchern nieder."Schlagartig" seien die Bestellungen im zweiten Quartal dieses Jahres in die Höhe geschnellt."Wir hatten Probleme, die Nachfrage zu bedienen." Neue Maschinen konnten so schnell nicht angeschafft werden.Also half man sich durch Schichtarbeit.Neue Mitarbeiter mußten hingegen eingestellt werden - nur selten tritt die Arbeit schaffende Wirkung der Währungsunion so deutlich meßbar und unzweifelhaft zutage.

Wieviele Euros Jansen schon verkauft hat, kann er nicht beziffern.Der Euro ist hier eine Tonnenware.60 Tonnen haben das Werk in Erkelenz in diesem Jahr verlassen.Sie werden in sieben verschiedenen Größen hergestellt: der kleinste ist Markstückgroß, der größte erinnert mit einem Durchmesser von zehn Zentimetern kaum noch an eine Münze.

Zwar legt Jansen Wert auf Autentizität."Unsere Prägequalität ist im internationalen Vergleich gut." Wenn aber die Kunden es wollen, wird schon mal auf Originalität verzichtet und auf die Rückseite das Firmenlogo des Auftraggebers graviert.Im Unterschied zu den europäischen Wettbewerbern - in Deutschland hat die Firma keinen Konkurrenten - achte man aber auch darauf, daß die Schokolade schmecke.

Ebenfalls über den Gaumen nähert sich die Zuckerwarenfabirk Egon Hirsch im schwäbischen Oberderdingen der Währungsunion an: sie wird vom 1.Januar an den Eurololli auf den Markt bringen - in den Geschmacktypen Banane und Gran Berry.Der Lolli schmecke köstlich, versichern seine Hersteller.Und deshalb ist wohl auch das Interesse an ihm sehr groß.Oder könnte es sein, daß sich der eine oder die andere lutschend der Währungsunion nähert?

KATHRIN SPOERR

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