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Wirtschaft: Der Euro kann auch nicht helfen

Frankfurt wollte London als Finanzplatz Paroli bieten. Das Gegenteil ist passiert: Die Banker zieht es ins Ausland

Mitte der 90er Jahre war Frankfurt auf dem besten Weg, London Konkurrenz zu machen. Die Stadt ging im Wettbewerb um die Zentrale der neuen Europäischen Zentralbank (EZB) als Sieger hervor. Neue Hochhäuser, darunter das größte Europas, ergänzten die Skyline von „Mainhattan“. 1996 glaubte die Mehrheit der europäischen Finanzexperten, dass Frankfurt London bis 2001 den Rang ablaufen könnte – unter der Voraussetzung, dass Großbritannien nicht der Währungsunion beitritt.

Doch der Traum ist ausgeträumt. Die 650 000 Einwohner zählende Stadt hat für internationale Banken an Bedeutung verloren, während London seine Führungsposition ausgebaut hat.

Die Frankfurter Malaise spiegelt die Schwierigkeiten der deutschen Wirtschaft wider. Deutschland sieht sich als Zugpferd in der Euroregion. Doch statt die Wachstumsmaschine zu sein, droht die nach den USA und Japan drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, den Rest des Währungsblocks in eine längere Wirtschaftskrise zu ziehen. Die Reformen der Bundesregierung reichen nicht aus, um der negativen Entwicklung entgegenzusteuern, meinen Ökonomen. Bundeskanzler Gerhard Schröder will unter anderem den Spitzensteuersatz im kommenden Jahr von 48,5 Prozent auf 42 Prozent senken. Schon jetzt haben mehrere deutsche Branchen wie die Pharmaindustrie große Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagert. Infineon, der sechstgrößte Halbleiterhersteller der Welt, hat erwogen, die Zentrale in die Schweiz zu verlegen. Die immer engeren Beziehungen zwischen den EU-Ländern erlauben es deutschen und ausländischen Unternehmen, von einem Land aus für die gesamte EU zu produzieren. Als Standort wählen Unternehmen gerne flexiblere und unternehmensfreundlichere Länder. Das ist ein Grund, warum US-Computerunternehmen wie Microsoft, Dell und Intel große Niederlassungen in Irland haben, von wo aus sie den gesamten europäischen Markt beliefern. Die Folgen für die Finanzbranche sind gravierend, denn Tisch und Telefon lassen sich leichter verlegen als Fabriken.

In Frankfurt hat der Euro die Situation noch verschlimmert und mehr Business vertrieben als angezogen. Große Banken wie die Deutsche Bank sind vor den hohen Steuern und dem unflexiblen deutschen Arbeitsmarkt geflüchtet und haben in London Tausende neuer Jobs geschaffen: Ende des vergangenen Jahres arbeiteten nur noch knapp 44 Prozent der Deutsche-Bank-Angestellten in Deutschland. Sechs Jahre zuvor waren es noch 67 Prozent. Sogar Paris läuft Frankfurt den Rang als wichtiger internationaler Finanzplatz ab. Zu diesem Ergebnis kam eine Umfrage unter Londoner Bankern, Rechtsanwälten und Buchhaltern, die im Juni veröffentlicht wurde.

Vor kurzer Zeit kündigte die Banco Santander Central Hispano ihren Rückzug aus Frankfurt an. Die größte spanische Bank hatte erst 2001 das Maklerbüro mit 30 Händlern, Verkaufspersonal und Analysten eröffnet. Das Kreditinstitut wollte außerhalb der iberischen Halbinsel expandieren, um mit europäischen Konkurrenten Schritt zu halten. Mit einem Frankfurter Büro, so dachte Santander damals, könnte es leichter sein, deutsche Aktien an institutionelle Investoren zu verkaufen. Doch nun schließt die spanische Bank das Frankfurter Maklerbüro. Santander werde die deutschen Blue-Chip-Unternehmen von Spanien aus betreuen, sagte ein Unternehmenssprecher. Die Bank behalte ein Büro in Frankfurt, werde dort aber andere Finanzdienstleistungen verkaufen. „Der Abwanderung von Finanzdienstleistungen nach London in der letzten Zeit lässt sich kaum wieder wettmachen", sagten kürzlich zwei Frankfurter Banker der Goldman Sachs Gruppe bei einer Anhörung im deutschen Bundestag. Natürlich war der Kampf von Frankfurt gegen London schon immer mühsam.

Die britische Hauptstadt ist ein englisch-sprachiges Kulturzentrum und bietet ausländischen Arbeitskräften steuerliche Vorteile. Doch auch Frankfurt versuchte alles – vor allem, als es um den Sitz der EZB ging. Die Wirtschaftsförderung Frankfurt GmbH lancierte damals eine internationale Werbekampagne. Ihr Slogan: „Frankfurt, the natural choice“ (“Frankfurt, die natürliche Wahl“). Frankfurter Politiker nannten ihre Stadt im selben Atemzug mit London und New York.

Doch die neue Währung erwies sich als Nachteil für Frankfurt. Mit der EZB entstanden kaum hochrangige Finanzjobs. Im Gegenteil: Internationale Banken, die häufig Volkswirte in Frankfurt sitzen hatten, um jede Äußerung der Bundesbank zu analysieren, zogen sich zurück. Anders als bei der Bundesbank läuft bei der EZB alles auf Englisch ab. Das macht die Arbeit von London aus einfacher. „Der größte Schaden für den Finanzplatz Frankfurt war die Einführung des Euro“, sagt Thomas Mayer, Europa-Chefvolkswirt der Deutschen Bank in London. „Seit der Einführung des Euro muss man nicht mehr in Frankfurt sein.“

Als der große niederländische Finanzdienstleister Fortis Investment Management im vergangenen Jahr einen neuen Sitz für seine europäischen Bond-Fondsmanager suchte, wurde Frankfurt nicht einmal in Betracht gezogen. Fortis entschied sich für Paris. „Wann immer wir mit der EZB sprechen wollen, können wir es einrichten“, sagt William de Vildjer, der von Brüssel aus den Investmentbereich des Unternehmens leitet. Die Bank of America schloss ihre Frankfurter Niederlassung für Devisenhandel bereits 1999. Und die Citibank verlegte den Aktien-Optionsscheinhandel von Frankfurt nach London.

Mittlerweile hat die Wirtschaftsförderung Frankfurt GmbH ihre Werbung für den Finanzplatz Frankfurt eingestellt. Mitte der 90er Jahre hat die finanzklamme Stadt das Budget der Wirtschaftsförderung um 50 Prozent auf drei Millionen Euro zusammengestrichen. Das meiste Geld davon fließt in die Förderung bestehender Unternehmen. Der Chef der Wirtschaftsförderung, Hartmut Schwesinger, versucht nicht länger, mit London zu konkurrieren. Stattdessen berät er Moskau, wie die Stadt zu einem wichtigen Finanzplatz aufsteigen könnte. In fünf Jahren, behauptet er, „wird Frankfurt ein internationaler Finanzplatz mit einem stärkeren Fokus auf den Osten als den Westen sein.“

Silvia Ascarelli

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