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Wirtschaft: Der Euro kommt schneller als erwartet

Der Euro kommt - und zwar schneller als bislang angenommen.Vom 1.

Der Euro kommt - und zwar schneller als bislang angenommen.Vom 1.Januar 2002 bis zum 30.Juni desselben Jahres können sich die Teilnehmerstaaten eigentlich mit der Einführung von Münzen und Scheinen Zeit lassen.Doch EU-Kommissar Yves-Thilbaut de Silguy ist überzeugt, "sechs Monate sind zu lang".Der für den Euro zuständige Mann in der Kommission geht davon aus, daß die Einführungsphase verkürzt wird.Letztlich liegt es an den einzelnen Mitgliedstaaten, wie lange sie für die Abschaffung ihrer alten Währung brauchen, doch bei der Kommission ist man überzeugt, daß Händler und Verbraucher von einer kurzen Umstellungsfrist profitieren würden.Die zuständige Arbeitsgruppe im Bonner Finanzministerium setzt sich sogar für einen "Big Bang" ein, also die Umstellung an einem einzigen Wochenende.

Christian Kroppenstedt, Euro-Experte im Hause Waigel, erwartet eine Entscheidung über die Dauer der Umstellung in Deutschland noch in diesem Frühjahr.Er setzt sich für einen möglichst schnellen Übergang ein, ähnlich wie 1990 beim Wechsel von Mark der DDR auf D-Mark.Beim Europäischen Währungsinstitut (EWI) in Frankfurt (Main) geht man ebenfalls von einer verkürzten Frist aus - falls die Vorbereitungen rechtzeitig beginnen.Die Banker erwarten, daß die Umstellung in bis zu zwei Monaten zu schaffen ist.Allerdings seien dazu ausgefeilte Logistikkonzepte notwendig.66 Mrd.Euro-Münzen gilt es zu prägen und vor allem zu lagern.Gegenwärtig stapeln sich gerade mal ein Zehntel dieser Münzen in den Tresoren der Notenbanken.Riesige Münzdepots müssen nach Ansicht des EWI im Vorfeld der Euro-Einführung eingerichtet werden."Eine logistische Operation von nie gekanntem Ausmaß", sagt EU-Kommissar Mario Monti.Die Banknotenproduktion werde deshalb schon in einem Jahr starten.

Experten haben ausgerechnet, daß alleine in Großbritannien 100 000 Tonnen Münzen zu beseitigen wären.Sicher, die Briten nehmen nicht teil, doch nach einer Studie englischer Forscher würde es dort elf Wochen dauern, um 90 Prozent der alten Penny-Münzen einzusammeln.Wie lange es letztlich dauert, hängt aber vor allem von den Verbrauchern ab und ihrem Drang, die Münzen loszuwerden.

Allzu schnell will selbst das Finanzministerium die Münzen nicht einschmelzen.An Automaten sollte die Mark schon noch zwei Monate gelten, weshalb die Geschäftsbanken nach Ansicht der Bonner Experten auch nach dem 1.Januar 2002 noch Münzen ausgeben sollten.Der Verband der Europäischen Automatenbauer verweist darauf, daß die mittelständisch strukturierte Branche Zeit brauche, um alle Maschinen umzustellen.So stehen in Europa derzeit rund 3,2 Mill.Geldautomaten und sieben Mill.sonstiger Automaten, beispielsweise für die U-Bahn, für Parkhäuser oder Telefone.Kleine Automatenbauer hätten oft nicht mehr als fünf Mitarbeiter, so die Vereinigung.Eine rechtlich festgelegte Frist dürfe es deshalb nicht geben.Die Automatenumstellung würde vermutlich drei Monate dauern.

Zu den großen Befürwortern einer möglichst kurzen Umstellungsphase zählen auch die Europäischen Bankenverbände sowie die Handelsvereinigungen.Letztere befürworten beispielsweise einen Umtausch bereits vor dem 31.12.2001, um die Bevölkerung rechtzeitig mit dem neuen Geld zu versorgen.70 Prozent des Bargeldes besorgen sich die Europäer übrigens an Bankautomaten.Damit noch nicht genug: Vor allem die kleinen Händler fordern eine kurze Frist, da sie sich sonst im Nachteil gegenüber den Großen sehen.Diese könnten ohne größere Probleme Kassen für zwei Währungen in ihren Supermärkten aufstellen.

Während die Befürworter eines "Big Bang" auf die erfolgreiche Einführung der D-Mark in den neuen Ländern verweisen, halten Kritiker gerade dieses Beispiel für ungeeignet.Damals war es für die Menschen eine Verbesserung, als sie ihr altes Geld abgaben.Dies werde beim Euro nicht so gesehen.Ferner sei es rechtlich bedenklich, die Sechs-Monats-Frist nicht nur zu verkürzen, sondern faktisch aufzuheben.

Schon lange bevor die Europäer die ersten Euros in der Hand halten, werden sie freilich die Euro-Preise in ihren Läden finden - zumindest wenn es nach dem Willen der europäischen Verbraucherverbände geht.Denen wäre es am liebsten, wenn die Händler dazu verpflichtet würden, über einen gewissen Zeitraum - und zwar schon vor dem 1.Januar 2002 - sämtliche Artikel doppelt auszuzeichnen.Einen solchen rechtlichen Rahmen lehnt die EU-Kommission allerdings ab und setzt auf Freiwilligkeit.Es werde hier keine Intervention der Kommission geben, betont die für Verbraucherfragen zuständige Kommissarin Emma Bonino.Ihr wäre es am liebsten, wenn es die doppelte Preisauszeichnung in den Läden schon ab 1999 gäbe.Leitlinien auf der Basis von freiwilligen Vereinbarungen sollen die Händler überzeugen.In die gleiche Kerbe schlägt EU-Kollege de Silguy: "Vorgaben an den Handel können nur ein Notbehelf sein.Ein Verhaltenskodex ist das beste Verfahren."

Die europäischen Handelsorganisationen sind über diese Haltung mehr als erfreut: "Alles andere wird zu teuer", heißt es bei den Supermarkt-Lobbyisten in Brüssel.Sie schlagen vor, die doppelte Preisauszeichnung auf die Produkte zu beschränken, die die Verbraucher am meisten nachfragen.

Ganz anders sehen dies die Konsumentenorganisationen.Ihnen geht es vor allem darum, über die doppelte Preisauszeichnung versteckte Preiserhöhungen zu vermeiden.Sie fordern deshalb zumindest Grundregeln für die Übergangszeit.In Frankreich gibt es bereits eine freiwillige Vereinbarung der Händler, von kommendem Januar an Preise doppelt auszuzeichnen.Die Beamten jenseits des Rheins können dann gleich vollständig umdenken: Sie bekommen auch ihr Gehalt bereits in Gemeinschaftswährung umgerechnet.

JOACHIM HOFER

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