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Wirtschaft: Der Experte im Heuhaufen

Mehr als 120 000 Anwälte bieten in Deutschland ihre Dienste an – wie man den richtigen findet

Ein reiches Angebot muss nicht immer glücklich machen. Ganz im Gegenteil. Wer einen Anwalt sucht, will schnelle Hilfe und kompetente dazu. Doch mittlerweile bieten mehr als 120 000 Rechtsanwälte in Deutschland ihre Dienste an, allein in Berlin sind es knapp 9700. In dieser Fülle den richtigen Experten zu finden, wird schnell zur sprichwörtlichen Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.

Wer den passenden Anwalt finden will, wird letztlich nicht darum herumkommen, sich auf seine Menschenkenntnis zu verlassen, meint Benno Schick von der Rechtsanwaltskammer Berlin. So könne die Kammer zwar dabei helfen, einen Anwalt in der Nähe des potenziellen Mandanten zu finden, doch zur Qualität seiner Arbeit könne man keine Auskünfte erteilen.

Dennoch gibt es Tipps, die bei der Suche weiterhelfen, sagt Schick. „Als Erstes sollte man ins Telefonbuch sehen.“ Die Gelben Seiten zum Beispiel weisen für Berlin in der Rubrik Rechtsberatung 122 Schwerpunkte aus: Die Spanne reicht von A wie AGB-Recht bis Z wie Zwangsvollstreckungsrecht. „Jeder Anwalt darf maximal fünf Schwerpunkte herausstellen“, sagt Stephan Göcken, der Geschäftsführer der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK). So lässt sich der Kandidaten-Kreis zunächst grob eingrenzen.

Für die weitere Auswahl hilft die Orientierung an den Erfahrungen der Anwälte. Die lassen sich über die Angabe von Schwerpunkten eruieren. Die geringsten Anforderungen stellt ein Interessenschwerpunkt. Hier genügt, wie der Name schon sagt, dass ein Anwalt ein bloßes Interesse an einem Thema hat. Ein Tätigkeitsschwerpunkt dagegen ist immerhin ein Rechtsgebiet, mit dem sich der Anwalt schon intensiver befasst hat – nach der Berufsordnung mindestens zwei Jahre. Am höchsten ist die Qualifikation eines Fachanwalts. Er muss Lehrgänge besucht und ein Minimum an Fällen bearbeitet haben. Der Titel kann aber bisher nur in wenigen Rechtsgebieten erworben werden: Arbeits-, Familien-, Sozial-, Steuer-, Straf-, Verwaltungs- und Insolvenzrecht. Neu hinzugekommen ist jetzt das Versicherungsrecht.

Die Gelben Seiten haben mittlerweile auch durch Auskunftsdienste im Internet oder per Telefon Konkurrenz bekommen. Die Anwaltssuche ist zu einem lukrativen Markt geworden, auf dem sich offenbar gutes Geld verdienen lässt. „Meist werden die Anwälte zur Kasse gebeten, manchmal aber auch die Suchenden“, warnt Lutz Wilde von Zeitschrift „Finanztest“ der Stiftung Warentest. „Von 0190er-Nummern sollte man die Finger lassen.“ Wenig empfehlenswert finden die Finanztester auch Suchmaschinen wie „rechtsanwalt.com“, bei der die detaillierten Angaben einiger hundert zahlender Anwälte durch mehr oder weniger wertloses Adressmaterial gestreckt würden.

Für einen Eintrag müssen die Anwälte auch beim Anwalt-Suchservice zahlen, doch bestehen hier an der Seriosität keine Zweifel. Denn die Informationsstelle wurde 1989 aus der Mitte der Anwaltschaft gegründet und gehört heute zum juristischen Fachverlag Dr. Otto Schmidt in Köln. Die Internetseite unter „ www.anwalt-suchservice.de “ verzeichnete im vergangenen Jahr 480 000 Abfragen. Zusätzlich können sich Ratsuchende unter der Rufnummer 01805 / 25 45 55 (12 Cent pro Minute) rund um die Uhr bis zu drei Experten für ihr jeweiliges Rechtsproblem nennen lassen. Insgesamt besteht Zugriff auf rund 8000 Adressen.

Der Anwalt-Suchservice ist zwar die älteste, aber nicht die größte Informationsstelle in Deutschland. Diesen Titel nimmt die Anwaltsauskunft des Deutschen Anwaltsvereins (DAV) in Anspruch, die alle Mitglieder des Berufsverbandes umfasst – derzeit rund 57 000. Im Internet steht unter „ www.anwaltauskunft.de “ eine Suchmaschine zur Verfügung, über die nicht nur nach Tätigkeitsschwerpunkten, sondern auch nach Fremdsprachenkenntnissen gefragt werden kann. Dieser Dienst lässt sich ebenfalls unter der Rufnummer 01805 / 18 18 05 (12 Cent pro Minute) telefonisch in Anspruch nehmen. Alle Adressdienste, ob seriös oder nicht, leiden aber unter einem Mangel: Sie beruhen auf Selbstauskünften der Anwälte und lassen allenfalls Rückschlüsse auf die Berufserfahrung zu.

Vor der Beauftragung sollte aber auch die Kostenfrage geklärt werden. Zwar unterliegt das Honorar, wenn nichts anderes vereinbart wird, der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (Brago), doch gibt auch diese nur einen Rahmen vor. So kann schon die Gebühr für die Erstberatung zwischen 15 und 180 Euro schwanken. „Man sollte auf jeden Fall vorher einen Kostenvoranschlag einholen“, rät Stephan Göcken.

Wenn es um Fragen des allgemeinen Verbraucherrechts geht, kann ein Besuch bei den Verbraucherzentralen viel Geld sparen. In Berlin beispielsweise kostet eine Rechtsberatung 7,50 Euro, am Telefon 1,86 Euro pro Minute. Gilt es, einen Brief an die gegnerische Partei aufzusetzen, werden zehn Euro fällig. Die gerichtliche Vertretung ihrer Klienten bleibt den Verbraucherzentralen allerdings verwehrt.

Neuerdings machen überdies telefonische Rechtsberater den niedergelassenen Anwälten Konkurrenz. Der Bundesgerichtshof hat solchen Diensten zwar seinen Segen erteilt. Die Stiftung Warentest steht ihnen trotzdem skeptisch gegenüber: Nicht jeder Rechtsfall sei für eine Beratung am Telefon geeignet und das Risiko einer Falschberatung erheblich.

R. Koch[T. Wiethoff (dpa)]

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