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Wirtschaft: Der Fall Mannesmann soll Konsequenzen haben

SPD-Politiker fordern Debatte über Verantwortung und Anstand, Wissenschaftler Adams will eine Reform des Aktienrechts

Berlin - Kurz vor der Urteilsverkündung im Mannesmann-Prozess fordern Wissenschaftler und Politiker Konsequenzen vom Gesetzgeber und eine breite gesellschaftliche Debatte über Verantwortung und Anstand. Der SPD-Wirtschaftspolitiker Rainer Wend sagte dem Tagesspiegel: „Politiker müssen sich dem stellen, aber auch Wirtschaftsführer.“ Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, einer der Angeklagten im Prozess, habe dem Land einen schlechten Dienst erwiesen, indem er „mit Arroganz und Anmaßung“ vor Gericht aufgetreten sei. SPD-Fraktionsvize Poß beklagte, dass viele Menschen nicht mehr nachvollziehen könnten , was in den Konzernen passiert. „Die Maßstäbe sind verrückt“, sagte er.

Am Donnerstag endet der spektakuläre Prozess vermutlich mit einem Freispruch für alle Angeklagten. Josef Ackermann oder Klaus Esser werden sich voll rehabilitiert sehen. Der frühere Mannesmann-Chef behält seine 30 Millionen- Euro-Abfindung, und Ackermann kann sich seinen Geschäften als Chef der Deutschen Bank wieder voll widmen. Trotzdem hat das Verfahren Konsequenzen: Abfindungen von 30 Millionen Euro wie in diesem Fall wird es so leicht nicht mehr geben, weil sich künftig niemand auf einen „unvermeidbaren Irrtum“ berufen kann, sagt der Wirtschaftsrechtler Michael Adams. Das rettet den sechs Angeklagten jetzt noch den Kragen.

Adams fordert auch die Änderung von Gesetzen als Lehre aus dem Mannesmann-Prozess. Drei Mängel des deutschen Rechtssystems habe das Verfahren schonungslos offen gelegt: „Schwammige“ Formulierungen im Strafrecht und im Aktiengesetz müssten dringend präzisiert werden, fordert der Professor an der Universität Hamburg. Darüber hinaus beweise das Verfahren die Inkompetenz deutscher Aufsichtsräte.

Auch der Politiker Wend regt an, Manager zivilrechtlich stärker für fehlerhaftes Verhalten in Verantwortung zu ziehen. „Wir müssen bei Managern die Hemmschwelle erhöhen, Schadenersatzpflicht auszulösen“, sagte er, „ da können wir die Schrauben noch etwas anziehen.“ Positiv bewertet der Wissenschaftler Adams, „dass das Verfahren überhaupt und wie es stattgefunden hat“. „Es war möglich, die mächtigsten Leute der Republik anzuklagen.“ Die Staatsanwaltschaft habe offensichtlich dem Druck standgehalten, das Verfahren einzustellen. Die rechtsstaatlichen Instanzen haben nach seiner Einschätzung einwandfrei funktioniert. „Wenn ich mich selbst einmal vor einem Gericht verantworten müsste, dann möchte ich das bitte vor einem deutschen Gericht tun“, sagt der Professor. Ackermann dagegen beklagte immer wieder, dass Deutschland das einzige Land sei, in dem man für das Schaffen von Werten vor Gericht gestellt werde.

Diese Kritik lässt Adams nicht gelten. Abfindungen in Essers Größenordnung seien in den USA vielleicht üblich. In Deutschland gebe es aber Obergrenzen. Der Paragraf 87 des Aktiengesetzes lege fest, dass die Vergütungen für Manager „angemessen“ sein müssten. Eine 30-Millionen-Prämie „ist zweifellos abstrus“, meint Adams. Doch justiziable Grenzen ließen sich nur schwer definieren, weil es ein Gummiparagraf sei. Es fehlten die Maßstäbe. Adams fordert deshalb auch die völlige Transparenz bei Vorstandsgehältern, einschließlich Pensionszusagen und anderer Vorteile wie Dienstvillen.

Im Fall Mannesmann wird gar nicht erst der Versuch unternommen, die „Angemessenheit“ von 30 Millionen Euro Prämie zu prüfen. Dem Strafprozess, der ausschließlich Untreuevorwürfe zu klären hatte, wird wohl kein Zivilprozess folgen. Kläger könnte hier nur der Mannesmann-Käufer Vodafone sein, und die Briten haben keinerlei Interesse daran.

Nach Ansicht von Poß muss es auch in Aufsichtsgremien der Unternehmen mehr Transparenz geben. Er verwies auf die laufende Gesetzgebung zur „guten Unternehmensführung“. Der SPD-Politiker mahnte die Arbeitnehmervertreter in den Gremien, „ihre besondere Verantwortung wahrzunehmen“. Jurist Adams würde dagegen die Mitbestimmung abschaffen. „Das ganze System hat nicht die geringste demokratische Legitimation.“ Die Aufsichtsräte in Deutschland müssten dringend reformiert werden. Sie seien zu groß und ineffektiv und zu wenig transparent. Das zeige auch der Fall Mannesmann, wo die umstrittenen Millionenprämien in „Mauschelausschüssen“ verabredet worden seien. Trotzdem: Nach der Beurteilung des Gerichts ist der Fall Mannesmann ohne strafbares Verhalten der Beteiligten abgelaufen. „Deshalb kann er sich wiederholen“, sagt Adams. Nur Prämien in dieser Größenordnung sind nicht mehr drin. „Denn einen Irrtum kann man nicht zweimal begehen.“

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