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Wirtschaft: Der Fall Sket - Wirtschaftspolitik in Magdeburg

Die Geschichte der rotgrünen Landesregierung ist eng mit dem Niedergang des Schwermaschinenbauers verbundenVON EBERHARD LÖBLICH MAGDEBURG.Wenn die Landesregierungen von Sachsen-Anhalt Wirtschaftspolitik betreiben, so bedeutet das, sie begleiten - und schließen - ehemalige Treuhand-Unternehmen.

Die Geschichte der rotgrünen Landesregierung ist eng mit dem Niedergang des Schwermaschinenbauers verbundenVON EBERHARD LÖBLICH MAGDEBURG.Wenn die Landesregierungen von Sachsen-Anhalt Wirtschaftspolitik betreiben, so bedeutet das, sie begleiten - und schließen - ehemalige Treuhand-Unternehmen.Allerdings machen die Politiker diese meistens erst dicht, nachdem sie vergeblich versucht haben, sie zu privatisieren.Das Schicksal hat jetzt auch die ORWO in Wolfen ereilt, deren Gesamtvollstreckung gerade eröffnet worden ist, ebenso den Schmierölhersteller Addinol in Lützkendorf."Sachsen-Anhalt ist das Land mit den meisten schlecht privatisierten Treuhand-Unternehmen", zog Regierungschef Reinhard Höppner kürzlich Bilanz.Nicht zuletzt deswegen sei die Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt so hoch. Die Folgen wegfallender Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt könne keine Neuansiedlungspolitik kompensieren, wenn die Bundesregierung gleichzeitig zehntausende von Stellen auf dem zweiten Arbeitsmarkt streiche, sagte er."Wenn wir durch unsere Ansiedlungspolitik vielleicht 2400 Arbeitsplätze jährlich schaffen, andererseits aber auf dem zweiten Arbeitsmarkt allein im vergangenen Jahr 47 000 ABM-Stellen nach ihrem Auslaufen nicht verlängert worden sind, dann können wir die rote Laterne bei den Arbeitslosenzahlen nur schwer loswerden." Dennoch wirft man dem Regierungschef vor, zu wenig für den Erhalt bestehender Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt getan zu haben.Zum Beispiel bei Sket, dem traditionsreichen Schwermaschinenbauriesen in Magdeburg.Den hatte Höppner im Landtagswahlkampf 1994 noch als ebenso wichtigen industriellen Kern bezeichnet wie der Kanzler die großen Unternehmen im Chemiedreieck.Vorschnell hatte Höppner angekündigt, daß sich das Land unter einer von ihm geführten Regierung auch als Gesellschafter an Sket beteiligen würde, wenn das zur Rettung des Unternehmens notwendig sein würde. Ein Versprechen, dessen Erfüllung wohl niemand einfordern werde, dachte man damals offenbar im Beraterkreis Höppners.Denn hinter den Kulissen hatte die Treuhand-Anstalt längst Verhandlungen über die Privatisierung von Sket aufgenommen, kurze Zeit nach Höppners Regierungsbildung im Sommer 1994 wurde der erfolgreiche Abschluß der Verhandlungen bekanntgegeben.Die niedersächsischen Investoren Carsten Oestmann und Helmut Borchert sollten 74,9 Prozent der Sket-Geschäftsanteile übernehmen, 25,1 Prozent sollten bei der Treuhand bleiben; die sollte später ein institutioneller Anleger übernehmen.Der Vertrag wurde nie rechtswirksam.Zu spät hatten die Treuhand-Anstalt und das Bonner Wirtschaftsministerium die europäischen Wettbewerbshüter über seinen Inhalt und über die Suventionen informiert, die Brüssel hätte zahlen müssen. Die Sache schien dennoch gut anzulaufen.Zwar blieben Oestmann und Borchert als Geschäftsführer nur leitende Angestellte im eigenen Unternehmen.Aber es hagelte Aufträge.Erst später hat Oestmann eingeräumt, daß er im Einvernehmen mit der Treuhand diese Aufträge zu Dumpingpreisen eingeholt hat, jeder einzelne mit horrenden Verlusten verbunden war.Zwischen der Treuhand-Nachfolgerin, der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), und dem niedersächsischen Investorenduo stimmte zudem schon bald die Chemie nicht mehr. Und dem Wirtschaftsminister im Kabinett Höppner, Klaus Schucht, lag als ehemaligem Mitglied des Treuhand-Vorstandes in diesem Streit die Argumentation der BvS näher als die der Investoren, der IG Metall und des Betriebsrates.Die ursprünglich versprochene Beteiligung des Landes an Sket hatte Schucht seinem Regierungschef längst ausgeredet.Der Ressortchef ist ein knallharter Marktwirtschaftler.Für ihn hat daher der Staat in Wirtschaftsunternehmen nichts zu suchen.Seiner Ansicht nach war der Niedergang des Schwermaschinenbauriesen schon im Sommer 1995 nicht mehr aufzuhalten. Schuchts öffentliche Äußerungen zu Sket stießen selbst im Landtag auf massive Kritik.In PDS-Kreisen forderte man bereits damals zum ersten Mal den Rücktritt des Ministers.Er rede das Unternehmen schlecht und verschrecke damit potentielle Kunden für Sket, hieß es.Regierungschef Höppner wollte zu dem Zeitpunkt auch davon nichts mehr wissen, daß die Arbeitgeberseite ein Aufsichtsratsmandat übernimmt.Er vertraute wie sein Wirtschaftsminister Schucht darauf, daß der Niedergang von Sket durch nichts mehr aufzuhalten sei, und wollte dem Land die Mitverantwortung daran als Aufsichtsratsmitglied ersparen.Höppner handelte sich damit nicht nur Angriffe von Betriebsrat und IG Metall ein, die sich durch den Regierungschef nach Strich und Faden verkohlt fühlten, sondern auch eine offizielle Mißbilligung durch den Landtag.Die parlamentarische Rüge hatten die Oppositionsfraktionen von PDS und CDU in seltener Eintracht über die Mehrheitshürde gebracht. Mit seiner Einschätzung sollte Schucht zwar Recht behalten.Ob der Niedergang von Sket aber wirklich notwendig war, das wird wohl nie vollständig geklärt werden können.Zunächst ließ die BvS den Privatisierungsvertrag platzen und servierte Oestmann und Borchert auch als Geschäftsführer ab.Wenige Monate später beantragte die neue Geschäftsführung die Gesamtvollstreckung für Sket, nachdem die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat die Zustimmung zu einem neuen Unternehmenskonzept verweigert hatte, demzufolge von den 1800 Mitarbeitern noch 570 übrig geblieben wären.Das Unternehmen, für das zu DDR-Zeiten allein im Magdeburger Stammwerk 13 000 Menschen arbeiteten, wurde in fünf Auffanggesellschaften mit zusammen gerade noch 425 Beschäftigten zerlegt. Damit ist aus dem Konkurs heraus doch noch das Konzept umgesetzt worden, das Treuhand und BvS schon lange favorisiert hatten, aber nie gegen den Widerstand von Gewerkschaft, Belegschaft und zeitweilig auch der Landespolitik hatten durchsetzen können.Fast mutet es wie gute Regie an, daß die BvS unmittelbar vor der Landtagswahl verkünden konnte, daß auch die letzte dieser Auffanggesellschaften nun privatisiert ist. An der Zweitprivatisierung der Auffanggesellschaften hatte übrigens auch die Landesregierung ihren Anteil, wenn auch nicht Klaus Schucht.Am Wirtschaftsressort vorbei fädelte die bündnisgrüne Umweltministerin Heidrun Heidecke die Übernahme der Sket Maschinen- und Anlagenbau GmbH an die mittelständischen Unternehmer Heinz Buse und Aloys Wobben an.Die erfolgreiche Zweitprivatisierung der Auffanggesellschaften bedeutet für den Maschinenbaustandort Magdeburg eine gewisse Kontinuität - wenn auch auf sehr niedrigem Niveau.

EBERHARD LÖBLICH

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