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Wirtschaft: „Der Funke springt nicht über“

Emnid-Meinungsforscher Schöppner über den Pessimismus der Deutschen

Herr Schöppner, glauben die Deutschen an den Aufschwung?

Nein. Die Stimmung hat sich nur etwas aufgehellt: 21 Prozent der Deutschen glauben, dass das Wirtschaftsklima besser wird, 32 Prozent, dass es schlechter wird, und 40 Prozent rechnen damit, dass es gleich bleibt. Wirklich düster ist die Stimmung nach wie vor beim Thema Arbeitsmarkt, weil die Wirtschaft wächst, ohne dass neue Arbeit entsteht. Gerade mal sieben Prozent der Deutschen glauben, dass sich die Arbeitslosigkeit reduzieren wird. 49 Prozent fürchten hingegen, dass sie sich weiter erhöht. Und dies, obwohl es schon 4,36 Millionen Arbeitslose gibt. Von Aufschwung stimmung kann man da nicht sprechen.

Sind alle so pessimistisch, oder gibt es Bevölkerungsteile, die optimistischer sind?

Zunächst ist das Thema ein Politikum. 46 Prozent der SPD-Wähler sagen, es geht aufwärts. Bei den CDU-CSU-Wählern sind es nur 20 Prozent. Auch die Westdeutschen und Ältere sind optimistischer als die Ostdeutschen und die Jungen.

Kommen die guten Nachrichten – steigendes Geschäftsklima, bessere Wachstumsprognosen – nicht bei den Leuten an?

In dem, was die Konjunkturexperten sagen, steckt für viele Menschen kein Leben. Solange sie sich Sorgen um den Arbeitsplatz machen müssen oder weniger Geld haben, springt der Funke nicht über.

Und die Reformpolitik der Regierung? Demotiviert sie nur?

Der Begriff Reform hat seine Strahlkraft verloren. Anfang der 90er Jahre hatten viele das Gefühl, Reformen bringen jedem etwas. Zwischen 1997 bis 2002 schlug die Stimmung um. Da glaubten die meisten, dass Reformen den Wohlstand schmälern. Seit Anfang 2004 beobachten wir eine neue Einstellung: Die Deutschen wissen, dass Reformen nötig sind – aber sie sind nicht von selbst dazu bereit, sondern sie fühlen sich gezwungen.

Warum?

Weil sich das Gefühl ausbreitet, dass die Reformen nicht gerecht sind. Die Menschen glauben, dass es immer den anderen besser geht – zum Beispiel den Managern. Es heißt: Sollen die doch beim Gehalt kürzer treten und länger arbeiten, uns geht es schon schlecht genug. Und es fehlt eine Vision, was am Ende der Reform stehen soll. Es wird in Deutschland eine Leidens-, keine Reformdiskussion geführt.

Hat sich der Pessimismus nach früheren Abschwüngen auch so lange gehalten?

Die Stimmung ist diesmal auffallend lange schlecht. Die Menschen haben den Eindruck, dass es sich nicht um einen normalen Konjunkturzyklus handelt, bei dem nach dem Abschwung der Aufschwung kommt. Man ahnt, dass die Welt von morgen nicht mehr die ist, in der man sich auskennt. Das führt zu großer Beunruhigung.

Wer fühlt sich als Gewinner?

Wenige. Nicht überraschen dürfte, dass es die Älteren und die Gutverdiener und Wohlhabenden sind, die der Wandel am wenigsten berührt.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer

Klaus-Peter Schöppner ist seit 1990 Geschäftsführer des unabhängigen Markt- und Meinungsforschungsinstituts Emnid , das zu den bekanntesten in Deutschland zählt.

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