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Wirtschaft: Der Handy-Wahnsinn (Kommentar)

Als der deutsche Botschafter Gebhardt von Moltke London verließ, klagte er, das britische Wissen über Deutschland ende mit dem Jahr 1945. Ist das wahr?

Als der deutsche Botschafter Gebhardt von Moltke London verließ, klagte er, das britische Wissen über Deutschland ende mit dem Jahr 1945. Ist das wahr? Natürlich nicht. Michael Naumann grummelt, die Briten seien besessen vom Zweiten Weltkrieg. Ist das so? Es ist völliger Quatsch!

Fragen wir doch einfach im Kommandobunker von Vodkafone nach. Ich bin in den Besitz eines Video-Bandes gelangt, das die Vodkafone-Vorstandssitzung von vergangener Woche zeigt. Man sieht darauf Manager um eine Deutschland-Karte sitzen. Große Pfeile weisen den Weg nach Berlin. In der Ecke steht eine Büste Winston Churchills.

"Wir treiben die Deutschen vor uns her", sagt einer der Vorständler in der schneidiger Sprache der Offiziere. "Das Kriegsglück neigt sich zu unseren Gunsten", gibt ihm der Mann mit rotem Gesicht und Monokel Recht. "Die Deutschen haben ihre Kräfte überdehnt, als sie Rover übernahmen. Sie hatten keine Ahnung, wie schlimm unsere Gewerkschaften sind." - "So hart wie der russische Winter." - "Viel schlimmer. Nun können wir vorstoßen und die deutschen Kommunikationswege einnehmen. Bis Weihnachten stellen wir sicher, dass kein Deutscher mehr von einem Tunnel oder Fahrstuhl aus telefonieren kann. Das Land wird zusammenbrechen."

"Die Stategie ist doch klar", sagt eine Stimme aus dem Dunkel. "Zuerst bringen wir sie dazu, unsere Kühe zu essen. Dann, unseren Handys zuzuhören. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie kapitulieren. Sie haben keine Chance." Es ist die Stimme einer Frau, tief und ernst. Margaret Thatcher ist gerade außer Landes. Aber der Klang ist uns vertraut. Könnte es Tony Blair sein, der die Sprechweise der konservativen Lady nachahmt?

Natürlich hat Vodkafone nichts gemein mit Vodafone, der expandierenden britischen Telefon-Gesellschaft. Trotzdem lautet mein Rat: Sei auf der Hut, Mannesmann! Für die britische Psyche bedeuten Handys mehr als nur ein Geschäft. Sie sind Waffen, mit denen man sich duelliert. Britannien bündelt alle seine Kräfte für dieses "unfriendly takeover". Nur Fußball ist noch wichtiger.

Es wundert mich nicht, dass Mobiltelefone für Ärger zwischen Großbritannien und Deutschland sorgen. Sie sind hassenswerte Kontrollinstrumente, gewissermaßen die Kalaschnikows des postmodernen Zeitalters. Natürlich weiß ich, daß Handys manchmal Leben retten: in Lawinen verschüttete japanische Skisportler, von Hochwasser hinweggeschwemmte französische Lastwagenfahrer. Aber das Handy und das quasi-totalitäre Konzept der ständigen Erreichbarkeit haben uns alle zu Sklaven gemacht. Wenn im viktorianischen Zeitalter der Lord oder die Lady ein Glöckchen läutete, wurde pariert. Die Haushälterin und der Butler eilten herbei. Wie so viele andere hat auch mich das Handy in ein Herr-Sklave-Verhältnis gezwungen. Mitten in einer Abendessen-Einladung ruft die Redaktion an und fragt, ob sich Schäuble mit Umlaut schreibt. Wenn ich gerade am Rand eines spanischen Pools sitze, ruft sie an und verlangt 2000 Wörter zum Thema BSE-Kühe. Es gibt keinen Platz auf der Erde, wo man vor Handys sicher ist.

Aufgepasst Deutschland! Das Handy führt in die Versklavung. Britische Handys werden dich so sicher versklaven wie der Euro die Angelsachsen. Warum sonst sollte Margaret Thatcher scharf auf Vodkafone sein?Der Autor ist Deutschland-Korrespondent der englischen "Times".

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