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Wirtschaft: Der Hillary-Faktor

Nur ein paar Tage nach dem Erstverkaufstag haben die Memoiren von Hillary Clinton die Kosten eingespielt

Manchmal zahlen sich große Wetteinsätze sofort aus. Schon eine Woche nach dem Ersterscheinungstag von Hillary Rodham Clintons Autobiographie „Living History“ („Gelebte Geschichte“) meldet der Verlag, dass das Buch Gewinn macht. Und der an die US-Senatorin und frühere Präsidentengattin Clinton gezahlte Vorschuß in Höhe von acht Millionen US-Dollar (6,7 Millionen Euro) sei auch schon wieder eingefahren. Es sollen bereits 600 000 Exemplare verkauft worden sein – 60 Prozent der Auflage, die der Verlag Simon & Schuster zunächst drucken ließ. Der Verlag lässt jetzt eine halbe Million Exemplare nachdrucken.

„Living History“ bedient das scheinbar unstillbare Interesse der Öffentlichkeit an dem Privatleben der Clintons. Es ist außerdem das erste große Sachbuch seit Ende des Irakkrieges. Deshalb konnte es den Medienrummel entfachen, den Verlage brauchen, um einen Bestseller zu landen.

Frau Clinton bekam Platz in zahlreichen Fernsehsendungen, sie hielt eine Menge öffentlichkeitswirksamer Signierstunden ab. „Wir sind immer davon ausgegangen, dass dieses Buch ein Erfolg wird. Aber mit dieser Geschwindigkeit haben wir nicht gerechnet“, sagt Jack Romanos, Präsident und Geschäftsführer von Simon&Schuster, die zur Viacom Inc. gehören. „Menschen wie Frau Clinton haben eine voraussehbare Fangemeinde, die dann, wenn man ihr ein Qualitätsprodukt anbietet, in Scharen zugreift.“

Die Veteranen unter den Verlegern geben offen zu, neidisch auf den Erfolg zu sein. „Nach einer Woche solche Verkaufszahlen zu erreichen, ist bei jedem Buch beachtlich; aber ein solcher Erfolg mit einem Buch, bei dem der Autorin ein Vorschuss von acht Millionen Dollar gezahlt wurde, ist das reinste Nirwana“, sagt Laurence J. Kirshbaum, Präsident und Geschäftsführer der AOL Time Warner Book Group, einer Abteilung von AOL Time Warner. „Heutzutage gibt es viele unerfahrene Verleger. Ich wünschte, wir hätten ein höheres Angebot abgegeben.“

Kirshbaum ist in Verlegerkreisen berühmt geworden, weil er für die Memoiren von Jack Welch, dem früheren Unternehmenschef von General Electric, einen Vorschuss von 7,1 Millionen Dollar gezahlt hat. Welchs Buch wurde am 11. September 2001 veröffentlicht. Inzwischen sind mehr als 800 000 Exemplare verkauft. „Nach einer gigantischen Werbekampagne war der Start zunächst schwierig, aber jetzt haben wir unsere Investitionen locker eingefahren“, sagt Kirshbaum.

Der ungewöhnlich schnelle Erfolg von Hillary Clintons Autobiographie ist in einer Welt, in der sich hoch gehandelte Schmöker mit dicken Vorschüssen an die Autoren oft nicht verkaufen, eine Lektion, wie es laufen kann, wenn alles richtig gemacht wird: Simon&Schuster kaufte die Rechte an dem Buch Ende 2000 im Rahmen einer Auktion, die von dem Washingtoner Rechtsanwalt Robert Barnett von der Kanzlei Williams & Connolly geleitet wurde. Der Verlag erhielt mit einem Angebot von acht Millionen Dollar den Zuschlag.

Simon & Schuster erwarb außerdem weltweit alle Rechte an dem Buch, inklusive der Hörbuch-Rechte. Damit konnte der Verlag weitere Rechte und Lizenzen selbst weiter vermarkten. Mit den Vorschüssen, die er durch diesen Verkauf von anderen Verlagen und Unterrnehmen erhielt, finanzierte er zum Teil den Vorschuss an Hillary Clinton. Und: Der Verlag darf auch die Taschenbuch-Ausgabe veröffentlichen, die irgendwann im nächsten Jahr erscheinen wird. Bevor Simon & Schuster auch nur eine Seite des Manuskripts erhalten hatte, verkaufte er das Buch an Verlage in 18 Ländern weiter – inzwischen sind es 22. Er versilberte außerdem die Vorabdruckrechte an die Magazine Time und People, die beide zu AOL Time Warner gehören. Allein diese Sekundärrechte brachten drei Millionen Dollar ein.

Das große Geld ist natürlich direkt von den großen Buchhändlern gekommen. Die Verleger erhalten in der Regel die Hälfte des Verkaufspreises des Buches, in diesem Fall also etwa 14 Dollar. Bei 600 000 verkauften Exemplaren macht das 8,4 Millionen Dollar, von denen 2,4 Millionen Dollar Kosten abgezogen werden müssen. Bleiben sechs Millionen Dollar übrig. Zusammen mit den drei Millionen aus dem Verkauf der Rechte macht das neun Millionen Dollar für Simon & Schuster. Und schon ist das Buch in den schwarzen Zahlen.

Die Autoren erhalten erst dann wieder zusätzliche Honorare, wenn der Vorschuss komplett eingefahren ist. Für Hillary Clinton wird dies wahrscheinlich bei 1,2 Millionen verkauften Exemplaren der Fall sein.

„So ein Buch hatte ich noch nie, und ich bin seit 18 Jahren Verlegerin“, schwärmt Carolyn Reidy, Präsidentin und Herausgeberin der Adult Publishing Group von Simon & Schuster. Reidy zufolge sei ein Teil des Erfolges Hillary Clintons Fähigkeit zu verdanken, unterschiedliche Käuferschichten zu erreichen. Die meisten Leser seien Frauen, die von Clintons Lebensgeschichte begeistert sind. Danach komme gleich die Gruppe der Politfreaks, die nach Insider-Informationen suchen. Und dann gebe es noch eine erkleckliche Zahl von Menschen, die fasziniert waren von der Seifenoper, die sich in den neunziger Jahren im Weißen Haus abspielte.

Übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (Irak), Svenja Weidenfeld (Hillary Clinton), Christian Frobenius (Trichet), Matthias Petermann (EU), Tina Specht (Kuba).

Jeffrey A. Trachtenberg

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