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Wohin geht die Fahrt? Das fragen sich auch viele Ökonomen derzeit.

© dpa

Der Ifo-Index steigt: Warum sich Ökonomen trotzdem Sorgen machen

Der Ifo-Index legt seit über einem halben Jahr zum ersten Mal wieder zu. Die Wende zum Positiven ist das aber noch nicht. Eine Analyse

Von Carla Neuhaus

Wenn Experten wissen wollen, wie es mit der Wirtschaft weitergeht, dann schauen sie gerne auf diese eine Grafik: den Ifo-Index. Um den zu erstellen, verschickt das Ifo-Institut aus München jeden Monat einen Bogen mit 20 Fragen an 9000 deutsche Unternehmen. Die Forscher wollen von ihnen wissen, wie sich ihre Geschäftslage entwickelt, ob sie Mitarbeiter einstellen oder entlassen und wie zufrieden sie mit der Auftragslage sind. Aus all diesen Antworten errechnen die Experten dann eine Zahl. Je höher sie von einem Monaten zum nächsten steigt, desto besser geht es der deutschen Wirtschaft. Fällt der Wert hingegen – wie das zuletzt sechs Mal in Folge der Fall war –, spricht vieles für einen Abschwung.

Entsprechend erleichtert haben Beobachter am Montag reagiert, als das Münchner Forschungsinstitut bekannt gab: Der Ifo-Index ist diesmal leicht gestiegen von 98,7 auf 99,6 Punkte. Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts sagte: „Die deutsche Wirtschaft stemmt sich dem Abschwung entgegen.“

Fast alle Forschungsinstitute haben ihre Prognose gesenkt

Das klingt gut. Aber ist es das? Ist damit nun alles wieder im Lot? Schließlich hat zuletzt ein Forschungsinstitut nach dem anderen seine Prognose für das Wirtschaftswachstum nach unten korrigiert. Die Bundesregierung geht inzwischen nur noch von einem Plus von einem Prozent für dieses Jahr aus – intern soll sie sogar schon nur noch mit 0,8 Prozent rechnen. Diesen Wert sagt auch der Sachverständigenrat voraus, der seine Prognose damit zuletzt fast halbiert hat.

Entsprechend vorsichtig haben viele Ökonomen die positive Entwicklung beim Ifo-Index dann auch kommentiert. Uwe Burkert, Chefökonom der Landesbank Baden-Württemberg meinte: „Eine Schwalbe macht noch keinen Konjunktursommer.“ Andreas Rees, Chefvolkswirt bei der Großbank Unicredit, warnte, es sei noch viel zu früh, „von einem konjunkturellen Wendepunkt zu sprechen“. Auch Anleger, die sich bei guten Konjunkturdaten gerne Aktien kaufen, hielten sich am Montag eher zurück. Der Leitindex Dax schwankte unentschieden um den Schlusskurs vom Freitag.

Dem Bau und dem Handel geht es gut

Tatsächlich ist das Bild, das die Daten derzeit von der deutschen Wirtschaft zeichnen, sehr unscharf. Wie es den Firmen geht, hängt nämlich stark davon ab, in welcher Branche sie unterwegs sind. Das zeigt auch die Auswertung des Ifo-Instituts. Demnach geht es für das Bauhauptgewerbe, den Handel und den Dienstleistungssektor teils deutlich aufwärts. Der Bau etwa profitiert von den niedrigen Zinsen für Immobilienkredite. Der Handel spürt, dass die Einkommen der Menschen steigen und sie mehr Geld ausgeben. Das gilt auch für den Dienstleistungsbereich, hinter dem sich in der Ifo-Statistik ein Sammelsurium von Firmen verbirgt, zu denen zum Beispiel Gartenbauer, Wachdienste, Restaurants oder Kinos zählen. Die gute Entwicklung in diesen Sektoren lässt den Ifo-Index steigen – und täuscht damit über eine große Schwäche der Wirtschaft hinweg.

Denn zunehmend schlechte Nachrichten kommen ausgerechnet aus einer Branche, die für Deutschland besonders wichtig ist: der Industrie. Wie die Ifo-Umfrage zeigt, bewerten die deutschen Industrieunternehmen ihre Lage so schlecht wie seit Jahren nicht mehr. Die Nachfrage nach ihren Produkten wie Maschinen und Autos sinkt – weshalb die Firmen anders als in den letzten Jahren ihre Produktion derzeit kaum noch ausweiten. Diese Schwäche der Industrie hat auch bereits der Einkaufsmanagerindex aufgezeigt, den das Institut IHS Markit am Freitag veröffentlicht hat. Dieser ebenfalls wichtige Konjunkturindikator ist überraschend stark gefallen. Markit-Experte Phil Smith sprach daraufhin von einer „Talfahrt des deutschen Industriesektors“, die sich beschleunige. Die Firmen sind stark vom Export abhängig, weshalb sie unter der schwächeren Weltwirtschaft, der Brexit-Unsicherheit und dem Handelsstreit leiden. Dazu kommt, dass Deutschlands wichtigster Industriezweig – die Automobilindustrie – weiter mit Problemen kämpft. Fahrverbote, die Umstellung auf ein neues Abgasprüfverfahren, die Dieselkrise: All das belastet. Gleichzeitig werden die Deutschen auch auf dem wichtigen Absatzmarkt China nicht mehr so viele Autos los. In Deutschland soll die Produktion neuer Wagen deshalb in diesem Jahr weiter zurückgehen.

Die Industrieschwäche trifft Deutschland hart

Beunruhigend ist das deshalb, weil eine Schwäche der Industrie mit Verzögerung auf andere Branchen übergreifen kann. Schon jetzt haben mehrere Großkonzerne Sparprogramme angekündigt. Volkswagen will hierzulande 23000 Arbeitsplätze abbauen. Bayer streicht 12000 Jobs. Setzt sich dieser Trend fort, wird man das irgendwann auch am Arbeitsmarkt spüren. Doch steigt die Arbeitslosigkeit, geben die Menschen weniger Geld aus – mit der Folge, dass sich auch im Handel und bei den Dienstleistern die Lage verschlechtert.

Noch ist Deutschland von einer solch negativen Entwicklung aber weit entfernt. Denn die Entwicklung des Arbeitsmarkts hat sich zuletzt von der Konjunktur entkoppelt. Soll heißen: Obwohl sich die Wirtschaft abschwächt, steigt die Beschäftigung. Die Bundesagentur für Arbeit erklärt das vor allem mit dem hohen Bedarf an Arbeitskräften in sozial-pflegerischen Berufen. Auch versuchen offenbar viele Mittelständler ihre Fachkräfte so lange wie möglich zu halten – aus der Sorge, dass sie die Stellen in wirtschaftlich besseren Zeiten nicht wieder besetzt bekommen. mit rtr

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