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Wirtschaft: Der Jahr-Zweitausend-Nepp

Seitdem IBM seinen PC-AT auf den Markt brachte, tickt es in jedem Personalcomputer.Drei "Uhren" regeln in seinem Innern das korrekte Datum und die Uhrzeit.

Seitdem IBM seinen PC-AT auf den Markt brachte, tickt es in jedem Personalcomputer.Drei "Uhren" regeln in seinem Innern das korrekte Datum und die Uhrzeit.Da gibt es die Echtzeituhr, ein kleiner Chip mit einem Kristall, der das Uhrwerk ist.Die Uhr gibt die Daten an eine weitere Uhr weiter, die das sogenannte BIOS bedient.Von dort holt sich schließlich die Uhr des Betriebssystems (DOS oder Windows 95/98) die Uhrzeit.Am 31.Dezember 1999 werden die bis dato einträchtig dahintickenden Uhrzeiten auf Millionen von PCs aus dem Takt geraten.

Nun kann die Uhrzeit auf allen PCs mit einfachen Mitteln eingestellt werden.Doch wo sind die "Könner"? Einer einschlägigen Umfrage zufolge wissen 80 Prozent der Windows-Nutzer gar nicht, wie man das Datum eines Rechners richtig einstellt.Nahezu niemand weiß auch, wie die verschiedenen Uhren im PC voneinander abhängen.Und selbst 45 Prozent der befragten Techniker von Softwarefirmen konnten keine Angaben dazu machen, wie ihr Programm mit welcher Uhr arbeitet.Noch heute werden Personalcomputer mit einem veralteter Technik verkauft, die den Jahrtausend-Sprung nicht schaffen.

Dutzende von Firmen bieten daher für gutes, teures Geld Hilfen an, die das Umstellen der Uhr besorgen sollen.Der böse Witz an der Sache: Testroutinen und Reparaturhilfen dieser Art gibt es dutzendfach kostenlos im Internet.

Der noch bösere Witz: in vielen Fällen werden die Programme gar nicht gebraucht.Moderne Betriebssysteme wie Linux, OS/2 oder Windows NT korrigieren in den neuesten Versionen falsche Datumsangaben von sich aus.Einzig DOS und das beim Start wie DOS funktionierende Windows 95 können beim Start den fehlerhaften Angaben des BIOS aufsetzen.Für Windows 98 gibt es bei Microsoft einen Fix, der das System sattelfest macht.

Doch auch hier relativiert sich die Sache erheblich: bei Rechnern, die in einem Firmennetzwerk betrieben werden, wird die Uhrzeit beim Einwählen in das Netzwerk mit dem Server synchronisiert.Und Rechner, die bei Firmen als Server arbeiten, sind in der Regel die allerneuesten Modelle ohne Datumsproblem.Auch private Anwender können so verfahren: Online-Dienste und Internet-Provider bieten ebenfalls die Synchronisation von Datum und Uhrzeit an.Last not least gibt es für das Steinzeit-DOS Dutzende von simplen Startprogrammen, die das Datum korrigieren.

Subtiler sind die Probleme der PC-Software, die mit einer zweistelligen Datumsangabe arbeiten.Hier findet man sich mit dem Zweistellen-Problem konfrontiert, das auch die Großrechner haben.Sinnigerweise sind es dabei nicht die großen Programmpakete, die Schwierigkeiten machen.PC-Buchhaltungen oder Lohnprogramme arbeiten seit Mitte der 80er mit dem vollen Datum.Die Tabellenkalkulation Microsoft Excel übersteht das Jahr 2000, doch die Makros, die die Benutzer selbst entwickelt haben, arbeiten häufig nur mit den letzten beiden Datumsstellen.

Auch dies nutzen die Anbieter von dubiosen Hilfsprogrammen aus und bieten für teures Geld sogenannte "Datenscanner" an.Diese Programme durchsuchen die Dateien auf den Festplatten nach zweistelligen Zahlenkombinationen, die Datumsangaben sein könnten.Auf diese Weise werden selbst harmlose Rechnungsbeträge zu potentiellen Gefahren aufgemotzt.Der irritierte Anwender wird dann mit einer einfachen Liste von einigen Hundert Dateien konfrontiert und darf sehen, wie er weiterkommt.

Programme, die sich wirklich um die abgekürzten Daten in Anwenderprogrammen kümmern, gibt es immer nur für eine bestimmte Software.Für das erwähnte Excel ist dies beispielsweise "VisualAudit" von Astratek.Wer wirklich Geld ausgeben will, sollte sich darum genau überlegen, welche falschen Daten ihn empfindlich treffen können und sich dann beim Hersteller der Software nach Lösungen erkundigen.

Da solche Programme teuer sein können, folgen viele Firmen der Empfehlung der amerikanischen Ingenieursvereinigung IEEE.Sie nehmen einen Passus in die Arbeitsverträge auf, der es den Angestellten verbietet, abgekürzte Datumsangaben in Makro-Programmen zu verwenden.Geschieht dies doch, sollen die Angestellten für alle Folgeschäden haften.Dies ist nach deutschem Recht zwar unstatthaft, aber "ein Klasse Schocker, um die Leute wachzurütteln", meint der Systembetreuer einer großen norddeutschen Molkerei."Dann hören sie wenigstens auf, mir Geschichten wie die vom 14-jährigen Neuseeländer zu erzählen".

Die im letzten Jahr verbreitete Agenturmeldung von dem Teenager Nicholas Johnson, der das Datumsproblem gelöst haben soll, paßt so richtig zum digitalen Glauben anno 2000: Im Internet kursiert die Variante, daß der Wunderjunge allein durch Handauflegen direkt am Rechner das kranke Datum heilen kann.

DETLEF BORCHERS

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