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Wirtschaft: Der Kampf der Krokodile

Die französische Textilfirma Lacoste streitet in China mit dem asiatischen Hersteller Crocodile über Markenrechte

Jahrzehntelang haben die Anwälte der konkurrierenden Kleiderhersteller La Chemise Lacoste aus Frankreich und Crocodile International mit Sitz in Singapur in den Gerichtssälen Asiens – von Japan bis Kambodscha – nacheinander geschnappt. Beide Firmen haben nämlich ein Krokodil als Markenzeichen. Am Ende haben sich die duellierenden Echsen meist die kleineren Gewässer Asiens friedlich geteilt. Nun aber kämpfen die alten Rivalen erbittert um den Lebensraum China. Keine Seite steckt zurück.

Der mit hohem Einsatz ausgetragene Konflikt und die extremen und teilweise komischen juristischen Taktiken, die beide Firmen einsetzen, um die Markenrechte des jeweils anderen auszuhebeln, zeigen die Bedeutung des Marktes. Das Volumen des Textileinzelhandels in China wird auf 54 Milliarden Dollar (44,5 Milliarden Euro) jährlich geschätzt.

Crocodile-Shirts kosten die Hälfte

Crocodile International verkauft seine Produkte in China für etwa die Hälfte von dem, was Lacoste verlangt. Beide Unternehmen stellen Freizeitkleidung wie Polohemden und Sportkleidung her, sind in privater Hand und veröffentlichen ihre Verkaufszahlen nicht. Dabei gibt Crocodile International an, es tätige mehr als ein Drittel seines Jahresumsatzes in Höhe von 333 Milliarden Dollar in China. Lacoste sagt, jedes Hemd und jeder Gürtel, den sein Konkurrent verkaufe, mindere den Wert der noblen Marke Lacoste. „Es ist nicht nur eine Frage des Umsatzes. Das ruiniert wirklich unser Image“, sagt Philippe Lacoste, Firmenchef und Enkel des Tennisspielers René Lacoste, der das Unternehmen 1933 gründete. „Die Produkte der Konkurrenz sind minderwertig. Die Kunden, die unsere Marke nicht kennen, werden irritiert.“

Lacoste ließ sein Markenzeichen, ein Krokodil mit dem Kopf nach rechts, 1980 in China eintragen und hat dort 134 Verkaufsstellen – meist in Kaufhäusern. Crocodile International beantragte die Eintragung seines Markenzeichens, ein Krokodil mit dem Kopf nach links, 1993 in China unter der Marke Cartelo. Es beantragte 1994, ein ähnliches Markenzeichen unter der Krokodil-Marke einzutragen. Gegen diese Anmeldungen geht Lacoste beim Patentamt in Peking sowie in vier weiteren Prozessen erbittert vor. Nicht bereit, jahrelang auf die Urteile zu warten, tragen beide ein ungewöhnliches Nebengefecht im chinesischen Patentamt aus, um ihre Positionen zu verbessern.

Crocodile International hat sein Markenzeichen für eine Menge Produktlinien eintragen lassen, die es gar nicht produziert, wie etwa Wein, Tabak und Haushaltswaren. So hofft die Firma, ein größeres Recht auf das Krokodil geltend machen zu können. Lacoste beantragte derweil im Jahr 1994 die Eintragung eines Markenzeichens mit einem Krokodil, das den Kopf links hat, ähnlich dem von Crocodile – ein Versuch, das Krokodil von allen Seiten zu vereinnahmen.

Crocodile International verklagte Lacoste daraufhin wegen Markenrechtsverletzung. Nun gab ein Gericht in Schanghai der Klage statt. Lacoste schuldet Crocodile International nun genau einen Dollar und eine öffentliche Entschuldigung. Lacoste will in Berufung gehen.

Crocodile International wurde 1947 von Tan Hian Tsin aus Singapur gegründet, der in den 40er- Jahren mit seinen fünf Brüdern aus China emigriert war. Tan gründete Crocodile International in Singapur und ließ die Marke 1951 eintragen. Ein Bruder rief unter dem gleichen Markenzeichen eine ähnliche Firma in Hongkong ins Leben. In den 50er- und 60er- Jahren – lange, bevor Lacoste auch nur davon träumte, Kleider in Asien zu verkaufen, aber lange, nachdem das Markenzeichen in Europa bekannt geworden war –, ließ Tan sein Krokodil in den Patentämtern Chinas eintragen. Als Lacoste Anfang der 70er-Jahre begann, Kleider in Japan zu verkaufen, schlug Crocodile International mit einer Klage wegen Verletzung der Markenzeichens zurück. Lacoste trug jedoch erfolgreich vor, dass die beiden Markenzeichen unterschiedlich seien. Das bedeutete, dass beide ihre Produkte in Asien verkaufen konnten.

In den folgenden Jahrzehnten wurden die beiden Unternehmen seltsame Weggenossen – in manchen Ländern bekriegten sie sich vor Gericht, in anderen betrieben sie Kuhhandel mit Markenrechten. Seinen größten Triumph erzielte Lacoste in Hongkong. 1980 unterschrieb der französische Kleiderproduzent dort eine Vereinbarung mit Crocodile Garments, das damals von Tans Bruder geleitet wurde. Demnach durfte Crocodile Garments seine eigenen Kleider verkaufen und auch die von Lacoste in Hongkong vertreiben, musste sich im Gegenzug aber aus China heraushalten.

Außergerichtliche Einigungen

1987 übernahm die Hongkonger Lai Sun Development 55 Prozent von Crocodile Garments. 1993 beantragte das Unternehmen die Eintragung seiner Marke in China, ein Schritt, von dem Lacoste glaubte, er verletze den 1980 geschlossenen Vertrag. Lacoste verklagte daraufhin Crocodile Garments in Hongkong und Peking. In Hongkong wurde der Klage stattgegeben. Im vergangenen Jahr kam man überein, den zweiten Fall außergerichtlich zu regeln und schloss einen Vergleich, wonach Crocodile Garments ab dem 31. Mai 2006 ein neues, von Lacoste gebilligtes Markenzeichen benutzen wird. Unberührt von dieser Vereinbarung bleibt aber Crocodile International, das sein Markenzeichen weiter verteidigen wird.

Mit anderen Worten: Nach zahlreichen gerichtlichen Entscheidungen, Waffenstillstandsvereinbarungen und Vergleichen verkaufen Crocodile International und Lacoste beide ihre Kleidung in Asien. Aber keiner gibt Boden in China preis.

Übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (Verlagerung von Arbeitsplätzen), Svenja Weidenfeld (Markenstreit), Matthias Petermann (Esser), Tina Specht (Ölreserven) Christian Frobenius (Chirac).

Chris Prystay

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