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Wirtschaft: Der Kanzler macht Dampf

Ein Spitzentreffen mit der Industrie im November soll den Streit um Windenergie und Kohle beenden

Der Kanzler hat die Energieversorgung zur Chefsache erklärt. Gerhard Schröder (SPD) ist fest entschlossen, den Streit um die Zukunft der Energieversorgung in Deutschland schnell und höchstpersönlich zu beenden. Am 10. November hat Schröder deshalb zu einem „energiepolitischen Spitzengespräch“ geladen. Neben den Chefs der vier großen Stromkonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall nehmen daran nach Informationen des „Tagesspiegel am Sonntag“ auch die Präsidenten der Spitzenverbände von Stromwirtschaft VDEW und kommunalen Unternehmen VKU teil.

Eingeladen sind zudem die Gewerkschaftschefs Hubertus Schmoldt (IG BCE) und Frank Bsirske (Verdi) – und natürlich Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sowie Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne). Die beiden Minister des Kabinetts Schröder hatten das Sommertheater um Windenergie und Kohle eröffnet. Clement forderte Trittin mit Gegenvorschlägen zur Novelle des Erneuerbare Energien-Gesetzes (EEG) heraus. Nach dem EEG werden regenerative Energien durch eine Umlage auf das Marktpreisniveau heruntersubventioniert. Clement will die Förderung von Windrädern wesentlich schneller bremsen als der Grünenpolitiker. Hinzu kommt: Trittin glaubt, die Stromversorgung in Deutschland zur Mitte dieses Jahrhunderts bereits zu 50 Prozent durch regenerative Energie bestreiten zu können. Dieser Kurs, meint der Wirtschaftsminister dagegen, sei illusorisch und bedeute den Ausstieg Deutschlands aus der Großtechnologie.

Streit zwischen den Ministern

Schützenhilfe erhält er dabei vom Verband der Elektrizitätswirtschaft VDEW. Dessen Präsident, Werner Brinker, sagte dem „Tagesspiegel am Sonntag“: „Wir haben ein Hochspannungsnetz mit 380 000 Volt. Und das müssen wir stabil halten sonst bricht die Stromversorgung zusammen. Dazu sind große Kraftwerke notwendig. Ein Stahlwerk oder eine Papierfabrik braucht 50 bis 100 Megawatt. Die können sie nicht mit einer Windmühle von vier Megawatt versorgen.“ Solche Standpunkte fordern natürlich zum Gegenangriff heraus.

Der Streit hat inzwischen alle Lobbyisten der Energiebranche auf den Plan gerufen. Gegner und Befürworter des Ökostromes werfen sich vor, die jeweils andere Seite „platt machen zu wollen“. Es geht darum, wo in Zukunft das große Geld verdient wird und die Arbeitsplätze sicher sind. Bis zum Jahr 2020 müssen etwa 40 000 Megawatt Kraftwerkskapazitäten ersetzt werden – das entspräche grob gerechnet 60 leistungsstarken Kohlekraftwerken. Das Investitionsvolumen geht in die Milliarden. Fast 20 000 Megawatt Ersatzleistung gehen auf das Konto der Kernkraftwerke, die nach der Vereinbarung zwischen Regierung und Industrie in den nächsten zwei Jahrzehnten vom Netz gehen sollen. Der Rest ist Ersatzbedarf – vor allem älterer, unwirtschaftlicher Kohlekraftwerke.

Dass die Debatte um die Zukunft der Energieversorgung jetzt so hitzig geführt wird, hat einen Grund. „Wegen der langen Planungs- und Genehmigungszeiten in Deutschland für Großkraftwerke muss spätestens im nächsten Jahr klar werden, wie der Energiemix ab dem Jahre 2010 aussehen soll“, sagt Brinker. Die Stromkonzerne machen deshalb Druck, weil sie wissen wollen, ob sich die Planung eines neuen Kohlekraftwerks mit den umweltpolitischen Zielen der Regierung vereinbaren lässt. Und auch die Betreiber von Windkraftanlagen wollen wissen, ob sich die Investition in neue Anlagen rechnet.

Doch die rot-grüne Regierung ist sich nicht einig. Wirtschaftsminister Clement, der noch im Frühjahr jegliche Absprachen mit der Energiewirtschaft ablehnte, ist nun gezwungen, die Wogen zu glätten. Im August gab es ein erstes Gespräch mit dem Strommanagern – ohne Trittin. Am 18. September geht es in die zweite Runde – mit Trittin und Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier. Im November moderiert Gerhard Schröder die Gespräche persönlich. Dann, so heißt in der Branche, müssen auch Ergebnisse herauskommen. Natürlich werden im Kanzleramt keine Neubauvorhaben verabredet. „Es geht nicht darum, was ein einzelnes Unternehmen für notwendig hält“, sagt Brinker, „die Politik muss klare Vorgaben machen und mit der Elektrizitätswirtschaft klären, welche Rolle fossile Brennstoffe und regenerative Energien in Zukunft spielen sollen. Und die Verbraucher wollen Klarheit über den Preis.“

Der VDEW-Präsident hält den Streit zwischen den Ministern im übrigen für überflüssig. „Trittin und Clement sind gar nicht so weit auseinander. Beide wollen die Höhe der Förderung erneuerbarer Energien reduzieren, beide wollen eine stärkere Degression in der Förderung und beide wollen mehr Effizienz. Unterschiedliche Meinungen gibt es nur in der Stärke der Einschnitte.“ Die betroffene Branche sieht das anders: 15 Prozent weniger im Jahr 2005 und dann jedes Jahr weitere fünf Prozent Minus in der Förderung bedeuten das Ende der Windkraft, behauptet der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). Präsident Johannes Lackmann: „Das muss auch ein Wirtschaftsminister wissen, dass er damit die Branche überfordert.“

In der Debatte geht es aber um mehr als um die Frage, wie schnell die Förderung regenerativer Energie (zurzeit sind es knapp zwei Milliarden Euro) heruntergefahren wird. Es geht darum, wie in Zukunft in Deutschland Strom erzeugt wird, welche Rolle Kohle, Wind, Erdgas oder Erdöl spielen werden. Trittins ehrgeiziges Ziel, beim anstehenden Ersatzbedarf vor allem auf Wind, Sonne und andere regenerative Alternativen zu setzen, hält Clement für Illusion. Auch der Wissenschaftler Christian Matthes vom Öko-Institut kann über den Streit der Politiker nur den Kopf schütteln. Wer glaube, die Energieversorgung eines Industriestaates mit erneuerbarer Energie sichern zu können, „wird Fehlentscheidungen treffen“. Und wer glaube, vor allem mit Kohle die Stromversorgung sichern zu müssen, werde in der Klimapolitik scheitern.

Dieter Fockenbrock

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