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Wirtschaft: Der Karneval ist zu einem riesigen Geschäft geworden

Millionen werden verjubelt, aber es werden auch Arbeitsplätze gesichert / Mehr Bier getrunken als auf dem OktoberfestVON VANESSA LIERTZEinmal im Jahr sind die Zimmer im Hotel Exzelsior heißbegehrt: Am Rosenmontag, wenn von draußen "Strüssje" und "Kamelle" (zu deutsch: Blumen und Bonbons) auf den Plüschboden prasseln, weil Jecken und Narren die Straße entlangziehen.Dann genießen Hotelgäste das Karnevals-Panorama, strapazieren mit Süßem ihre Zähne und mit Kölsch ihre Leber, während die Geschäftsführung sich freut: Für eine ihrer 23 leergeräumten Suiten verlangt sie zwischen 900 und 2000 DM - das Bier nicht mit eingerechnet.

Millionen werden verjubelt, aber es werden auch Arbeitsplätze gesichert / Mehr Bier getrunken als auf dem OktoberfestVON VANESSA LIERTZEinmal im Jahr sind die Zimmer im Hotel Exzelsior heißbegehrt: Am Rosenmontag, wenn von draußen "Strüssje" und "Kamelle" (zu deutsch: Blumen und Bonbons) auf den Plüschboden prasseln, weil Jecken und Narren die Straße entlangziehen.Dann genießen Hotelgäste das Karnevals-Panorama, strapazieren mit Süßem ihre Zähne und mit Kölsch ihre Leber, während die Geschäftsführung sich freut: Für eine ihrer 23 leergeräumten Suiten verlangt sie zwischen 900 und 2000 DM - das Bier nicht mit eingerechnet. Das Geschäft mit dem Frohsinn lohnt sich.Alleine die Kölner verjubeln von Altweiberdonnerstag bis Aschermittwoch soviel Geld wie ein größeres mittelständisches Unternehmen in einem Jahr umsetzt: eine halbe Mrd.DM.Das hat die Düsseldorfer Unternehmensberatung McKinsey 1995 ausgerechnet.Franz Wolf, Präsident des Bundes Deutscher Karneval in Köln, meint, es sei heute eine Mrd.DM.Ganz Deutschland verfeiere über zwei Mrd.DM.Wolf und andere reden deswegen gern von der Konjunkturspritze Karneval.Sicherlich, wenn Pralinenschachteln und Bonbons durch die Gegend fliegen, beglückt das auch die Süßwarenhersteller: 140 Tonnen Klebriges gedenkt das Kölner Festkommittee des Karnevals am heutigen Montag in die Menge zu schmeißen.Noch besser trifft es die Brauereien, die wegen der sechs tollen Tage im letzten Februar rund 30 Prozent mehr Umsatz machten als in den übrigen Monaten.Christian Bügel, Sprecher für den "Kölner Verbund Vertrieb Kölscher Bierspezialitäten", schätzt, daß alleine die Kölsch-Brauereien rund 57 000 Hektoliter Bier zapften - das sind 30 Millionen Gläser.Damit ist der Karneval feucht-fröhlicher als die "Wiesn": Beim Münchner Oktoberfest fließen nur ungefähr 52 000 Hektoliter Bier.Kneipiers und Gaststättenbetreibern sichert die Kölner Fete vollgestopfte Läden - manchen sogar die Existenz.McKinsey hat ausgerechnet, daß alle zusammen ungefähr 25 Mill.DM kassieren.Für Karnevalssitzungen und Maskenbälle geben die Kölner 50 Mill.DM aus, daneben profitieren Taxiunternehmen, Busse und Bahnen von der rheinischen Fröhlichkeit.Sie nehmen rund 16 Mill.DM ein, zumal über zwei Millionen Besucher die Stadt bevölkern.Vielleicht fährt allerdings der eine oder andere ohne Ticket. Fest steht: Die ausgelassene Fete sichert mehr Arbeitsplätze als so manches Beschäftigungsprogramm.In Köln sind es 3000, bundesweit über 10 000.In der Spielwarenindustrie hängen zum Beispiel über 1500 Menschen vom Karnevalsgeschäft ab.Sie setzte im letzten Jahr immerhin 400 Mill.DM mit Schminke, Pappnasen oder Prinzessinenkostümen um.Offenbar wollen sich immer mehr Menschen verkleiden.Dieter Tschorn, Sprecher des deutschen Verbandes der Spielwarenindustrie, sagt, seine Branche habe die Umsatzeinbrüche im Jahre 1990 längst verdaut.Damals mußte der Karneval wegen der Irak-Krise ausfallen."Wir rechnen in diesem Jahr wieder mit kleineren Steigerungen", meint er, zumal immer mehr Leute obendrein Halloween feierten. Inzwischen ist die Narretei selbst in den karnevalfeindlichen Osten vorgedrungen.So tagen in Berlin und Brandenburg heute knapp 80 der insgesamt 4000 in Deutschland eingetragenen Karnevalsvereine.Bisher schenkt ihnen allerdings fast niemand Beachtung, sagt Wolf.Sie werden eher krititisch beäugt, wenn sie als Funkemariechen oder Prinz durch die Gegend marschieren, während andererseits über fünf Millionen Zuschauer vor dem Fernseher sitzen, um den Rosenmontagsumzug in Köln zu betrachten.Für die exklusive Übertragung des närrischen Lindwurms zahlt der WDR den Kölnern inzwischen fast eine Mill.DM.Doch auch das karnevalistische Beschäftigungsprogramm hat seine Tücken: Unbestritten sind am Rosenmontag hauptsächlich die Menschen hinter dem Tresen produktiv - der Rest macht frei oder beschäftigt gar die Polizei. Ob bei dem Düsseldorfer Chemieunternehmen Henkel, der Westdeutschen Landesbank oder der Kölner Versicherung Colonia - am Rosenmontag herrscht weitgehend Ruhe in den Betrieben.Großzügige Dienstherren verzichten darauf, ihren Angestellten die verfeierten Stunden als Urlaub anzurechnen.Henkel zum Beispiel schenkt seinem Personal einen halben Arbeitstag.Auf diese Weise verlieren Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zwei Mrd.DM, schätzt ein Wirtschaftsforschungsinstitut aus Köln.Fazit: Der Karneval ist närrisch und daher auch keine Konjunkturspritze, sondern eine große Gaudi.

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