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Wirtschaft: Der Krisenfonds für Asien ist nur ein Teil der Lösung

An den Turbulenzen sind nicht allein Spekulanten schuld / Viele Staaten haben sich mit Prestigeprojekten übernommenVON KARL KRÄNZLE, SINGAPURVor dem Hintergrund der seit Wochen andauernden Währungskrise in Südostasien ist die Schaffung eines Fonds mit einem Volumen von 100 Mrd.Dollar zum dominierenden Thema in Hongkong geworden.

An den Turbulenzen sind nicht allein Spekulanten schuld / Viele Staaten haben sich mit Prestigeprojekten übernommenVON KARL KRÄNZLE, SINGAPUR

Vor dem Hintergrund der seit Wochen andauernden Währungskrise in Südostasien ist die Schaffung eines Fonds mit einem Volumen von 100 Mrd.Dollar zum dominierenden Thema in Hongkong geworden.Die Mittel kämen von Japan, Korea, China und der Association of Southeast Asian Nations (Asean), zu der Thailand, Malaysia, Singapur, Indonesien, die Philippinen, Brunei und Vietnam gehören - also genau jenen Staaten, die die Initiative für die Schaffung des Fonds ergriffen hatten.Wenig Begeisterung zeigten die Tagungsteilnehmer aus USA und Europa, bei denen die Initiatoren die Befürchtung zu zerstreuen versuchten, mit dem Krisenfonds würde die Rolle untergraben, die bislang der Internationale Währungsfonds (IWF) spielte. Traditionelle Aufgabe des IWF war es, einem Mitglied im Falle von kurzfristigen Zahlungsbilanzproblemen mit Währungskrediten beizustehen.In den letzten Jahren haben aber immer weniger Staaten den Fonds in Anspruch genommen.Kam es zu Zahlungsbilanzproblemen, finanzierte ein Land sich meist direkt an den Kapitalmärkten.So wurde der IWF immer stärker zur Anlaufstelle schwacher Entwicklungsländer, für die der Gang an den Kapitalmarkt nicht in Frage kommt.Da der IWF die Kreditvergabe wie vor ein paar Wochen im Falle Thailands mit strengen Auflagen verbindet, genießt das Institut den wenig schmeichelhaften Ruf eines Super-Finanzpolizisten. Vor diesem Hintergrund kam es zu der Idee des neuen Krisenfonds.Malaysias Finanzminister Anwar Ibrahim sagte, es sollte eine reine Kreditstelle sein, die im Falle von Hilfeleistungen dann eben nicht - wie der IWF - in die Wirtschaftspolitik des Schuldners eingreift.Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Asean-Landes gehört zu den großen politischen Tabus dieser Region.Just daher rührt auch die Skepsis der Amerikaner und Europäer.Was nützen Hilfeleistungen, wenn die Kreditgeber den Kreditnehmer nicht dazu bewegen können, seine Wirtschaft und Finanzen wieder in Ordnung zu bringen? Unter der Währungskrise leiden zur Zeit insbesondere vier Staaten: Thailand, Malaysia, Indonesien und Philippinen.In allen diesen Ländern neigt man jetzt dazu, mächtige Fondsmanager und Bankiers aus dem Westen für die Krise verantwortlich zu machen.Der Vorwurf greift zu kurz: Was nun in Thailand, Malaysia, Indonesien und auf den Philippinen passierte, war voraussehbar, und zwar nicht erst seit kurzem.Bereits vor zweieinhalb Jahren sagte der Chefökonom einer führenden britischen Investmentbank in Kuala Lumpur: "Mit dem Bau dieser gigantischen Projekte - wie den Petronas-Türmen, ein zwei Kilometer langer Shopping- und Vergnügungstempel, Airports oder der neuen Beamtenstadt Putrajaya - übernimmt sich das Land.Das kann Malaysia sich nicht leisten." In der Tat: Die Kosten wurden auf umgerechnet etwa 85 Mrd.DM geschätzt.Jetzt sieht Malaysia sich gezwungen, einzelne Projekte auszusetzen und andere zu begraben, weil die Warnungen damals nicht ernst genommen wurden.Im Dezember sollen in Kuala Lumpur endlich die 88 Stockwerke hohen Petronas-Türme eingeweiht werden.Darin gibt es Platz für 60 000 Beschäftigte.Nur haben die Besitzer außerordentliche Mühe, Mieter zu finden.Ein großer Teil der 300 000 Quadratmeter Fläche wird vorderhand leerstehen.Das zeigt: Die Krise, in der die Tiger-Staaten stecken, haben sie sich selbst eingebrockt.Jetzt büßt Asien für seine eigenen Sünden.

KARL KRÄNZLE[SINGAPUR]

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