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Wirtschaft: Der Kunde profitiert zuletzt

Gaskunden scheinen vergesslich zu sein. Glaubt man einer Studie des Magazins "Stern", kennen rund zwei Drittel derjenigen, die mit Gas heizen, nicht einmal die Höhe ihres Gaspreises.

Gaskunden scheinen vergesslich zu sein. Glaubt man einer Studie des Magazins "Stern", kennen rund zwei Drittel derjenigen, die mit Gas heizen, nicht einmal die Höhe ihres Gaspreises. Und über die Hälfte der Befragten scheinen auch nicht zu wissen, wie hoch ihre Gasrechnung ist. Das Interesse an Kosteneinsparungen scheint schon größer zu sein. Immerhin wären der Untersuchung zufolge 46 Prozent der Nutzer bereit, ihren Gasanbieter zu wechseln, wenn das zu geringeren Energiekosten führen würde, die meisten bei einem Preisvorteil von 20 Prozent. Grafik: Entwicklung der Heizöl- und Gaspreise in Deutschland Doch so weit ist es noch nicht. Denn anders als beim Stromkauf, haben Haushalte und Kleingewerbe bisher noch nicht die Möglichkeit, ihren Gasversorger selbst zu wählen. Das liegt daran, dass die freiwillige Verbändevereinbarung der Gaswirtschaft bisher nur den Netzzugang für Gasunternehmen regelt. Davon können nur Großkunden profitieren, die freie Wahl von Privathaushalten wird derzeit erst noch erprobt. Ab 1. Januar wird die Verbändevereinbarung jedoch erweitert. "Dann sollen auch Haushalte ihren Gaslieferanten frei wählen können", sagt eine Sprecherin von Deutschlands größtem Gasimporteur, Ruhrgas.

Doch wo kein Anbieter ist, da ist auch keine Wahl. Zum Jahresbeginn wird sich für Privatkunden in Berlin nichts ändern. Nur bei der Versorgung von Industriekunden gebe es zwei bis drei ernstzunehmende Kandidaten, mit denen Verhandlungen geführt würden, bestätigt die Berliner Gasag. Nicht nur wegen der schleppenden Marktöffnung glaubt die Branche nicht, dass die Gasmarktliberalisierung dieselben Folgen haben wird wie die Öffnung der Strommärkte. "Der Gas-zu-Gas-Wettbewerb führt mit Sicherheit zu sinkenden Preisen, aber nicht in den Spannen, die es beim Strom gab", sagt Klaus Haschker von der Gasag.

Hauptursache für den Preisrutsch auf dem Strommarkt waren deutliche Überkapazitäten, die erst abgebaut werden mussten. Auf dem Gasmarkt gibt es ein solches Überangebot nicht. Deutschland bezieht sein Erdgas zu 80 Prozent aus den drei großen Lieferländern Russland, Norwegen und Niederlande. Mit ihnen bestehen langfristige Lieferverträge mit Laufzeiten von bis zu 30 Jahren. Eine freie Preisbildung auf dem Gasmarkt ist aus diesem Grund nicht möglich. Gleichzeitig wird der Bedarf an Erdgas in den kommenden Jahren ansteigen (siehe Kasten).

Daneben ist zu erwarten, dass von einer Liberalisierung des Gasmarktes eher Großkunden denn kleine Haushalte profitieren werden. Das zeigt ein Blick auf die Öffnung der Strommärkte 1998. Vor allem die Preise für industrielle Stromabnehmer sind seither um 30 bis 50 Prozent gesunken. Bei den Privatkunden betrug der Rückgang nach Angaben des Verbands der Elektrizitätswirtschaft gegenüber 1995 nur sieben Prozent.

Insgesamt rechnet die Gasag damit, dass - wie auf dem Strommarkt - nicht mehr als fünf Prozent der Kunden den Anbieter wechseln werden. "Inzwischen gibt es ja auch die gegenläufige Tendenz, dass viele wieder zu ihren altvertrauten Stadtwerken und Regionalversorgern zurückkehren, weil die ihren Service deutlich verbessert haben", sagt Gasag-Vertreter Haschker. Auch bei der Gasag habe sich in den letzten drei Jahren eine Menge getan. So gibt es für 25 000 Haushalte in Berlin derzeit ein Pilotprojekt in Kooperation mit dem Stromversorger Bewag. Im Kombipaket bieten die beiden Unternehmen Gas und Strom zu günstigeren Konditionen an. "Wir wollen erst einmal sehen, wie die Kunden darauf reagieren", sagt Haschker. Doch die Rücklaufquote zeige schon jetzt, dass es Bedarf gebe.

Doch auch ohne den Wechsel zu neuen Tarifen und den Folgen der Liberalisierung wird es zukünftig wohl zu sinkenden Gaspreisen kommen. Bereits zum 1. Oktober hat die Berliner Gasag die durchschnittlichen Preise um fünf bis sieben Prozent gesenkt, mit einem weitergehenden Trend ist zu rechnen. Dieser Ansicht ist nicht nur der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW), auch Branchenexperten wie Manfred Horn vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin prognostizieren bis zum Frühjahr 2002 einen Preisrutsch auf dem Erdgasmarkt von 20 bis 30 Prozent. Horn belegt seine Schätzung mit der Entwicklung der Ölpreise, die sich bis vor wenigen Tagen im freien Fall befanden. Zwar ist mittlerweile durch eine sich abzeichnende Drosselung der Ölförderung die Talfahrt erst einmal gestoppt, doch immerhin hat sich der Ölpreis von September bis heute nahezu halbiert. Und auch der Heizölpreis ist jetzt rund ein Drittel niedriger als noch vor zehn Wochen.

Warum dauerhaft sinkende Ölpreise auch fallende Gaspreise nach sich ziehen, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Denn während die bedeutenden Ölproduzenten Saudi-Arabien, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Kuwait heißen, liegen die mit Abstand weltgrößten Gasfelder in Russland. Doch weil die Gaspreise sich aus den genannten Gründen nicht frei am Markt bilden können, werden sie am schärfsten Konkurrenten auf dem Wärmemarkt ausgerichtet: dem Heizöl (siehe Grafik).

"Statistisch ist eindeutig feststellbar, dass mit einer Verzögerung von ziemlich genau einem halben Jahr, die Gaspreise den Ölpreisen folgen", sagt Horn. Nach dieser Rechnung müssten die Gaspreise also spätestens bis März deutlich gefallen sein. Und warum dauert das sechs Monate? "Das ist kein willkürliches Vorgehen, sondern liegt daran, dass die Daten des Statistischen Bundesamtes in den Preisformeln der Verträge berücksichtigt werden. Und diese Daten liegen erst nach dieser Zeit vor."

Tobias Symanski

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