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Der Bund kann sich so günstig verschulden, wie lange nicht.

© dpa

Der Lagarde-Effekt: Warum die Rendite für Bundesanleihen so stark fällt

Wer dem Staat 100 Euro leiht, muss bereits 41 Cent draufzahlen. Bundesanleihen zu kaufen ist damit teurer, als Geld gegen einen Strafzins bei der Bank zu parken.

Von Carla Neuhaus

Bislang ist sie für den Chefposten bei der Europäischen Zentralbank (EZB) nur nominiert. Doch schon jetzt beeinflusst Christine Lagarde die Kurse. In den wenigen Fällen, in denen sie sich in der Vergangenheit zur Geldpolitik geäußert hat, hat sie Mario Draghi gelobt: eben jenen Mann, dem sie nun nachfolgen soll. Experten gehen deshalb davon aus, dass auch unter Lagarde die Zinsen in der Eurozone so schnell nicht steigen werden. Im Gegenteil. Vermutlich dürfte die EZB demnächst sogar einen noch höheren Minuszins von Banken verlangen, die Gelder bei der Notenbank parken. Das aber heißt: Nicht nur Firmen werden noch günstiger an Kredite kommen, auch der Staat wird sich zu noch günstigeren Konditionen verschulden können als ohnehin schon.

Schulden macht der Staat, in dem er Bundesanleihen ausgibt. Wer diese Papiere kauft, gewährt Deutschland also Kredit. Am Donnerstag nun ist die Rendite dieser Bundesanleihen auf ein neues Rekordtief von minus 0,409 Prozent gefallen. Das bedeutet: Wer dem Staat 100 Euro leiht, muss ihm dafür zusätzlich noch knapp 41 Cent Zinsen zahlen. Eine absurde Situation – schließlich sollte es doch eigentlich umgekehrt sein: Der Staat müsste Anlegern Zinsen bieten, damit sie ihm Geld leihen. Das aber ist bei zehnjährigen Staatsanleihen bereits seit Anfang Mai nicht mehr Fall. Investoren sind so dringend auf der Suche nach sicheren Anlagen, dass sie selbst Minuszinsen hinnehmen.

Interessant ist, dass die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen nun auch noch unter die Marke von minus 0,4 Prozent gefallen ist. Das ist eben jener Prozentsatz, den Banken zahlen müssen, wenn sie Gelder bei der EZB parken. Die Banken selbst reichen diese Konditionen an Großanleger weiter: Wer große Summen (meist mehr als eine halbe Million Euro) auf dem Konto liegen hat, muss dafür einen Strafzins von 0,4 Prozent zahlen. Bisher war es für die Investoren daher günstiger, Bundesanleihen mit Negativrendite zu kaufen: Ihr Verlust fiel dabei immerhin geringer aus, als wenn sie das Geld zur Bank gebracht hätten. Nun aber dreht sich die Entwicklung um. Auf einmal ist es für Großinvestoren sinnvoller, das Geld gegen Strafzinsen auf dem Konto zu parken, als es dem Staat über den Kauf von Bundespapieren zu leihen. Das dürfte sich erst wieder ändern, wenn die EZB tatsächlich wie erwartet im September die Strafzinsen für Banken weiter anhebt.

Das Absurde an der Situation ist, dass der Staat weiterhin Käufer findet, die ihm selbst zu diesen Konditionen Geld anvertrauen. Denn viele können gar nicht anders. Das gilt vor allem für Pensionskassen und Versicherungen. Für sie gibt es strenge Regeln, wie sie die Kundengelder investieren dürfen. Aktien sind dabei meist tabu und auch unter den Staatsanleihen kommen nur die mit einer besonders guten Bonität in Frage. Sie dürfen also über den Kauf von Staatsanleihen nur jenen Ländern Geld leihen, bei denen die Wahrscheinlichkeit besonders hoch ist, dass sie es auch zurückbekommen. Deutsche Staatsanleihen gelten dabei als besonders sicher. Die drei großen Ratingagenturen geben der Bundesrepublik jeweils ihre Bestnoten. So gut schneiden unter der Eurostaaten derzeit einzig noch die Niederlande ab.

Auch Ausländer decken sich mit Bundesanleihen ein

Neben den Versicherern dürften aber auch andere Staaten weiterhin Bundesanleihen kaufen. Länder wie China und Russland tun das derzeit zum Beispiel, um ihre Euro-Reserven aufzustocken. Sie versuchen sich weniger abhängig von den USA und dem Dollar zu machen. Sie kaufen also Bundesanleihen, um Gelder statt in den Vereinigten Staaten in Europa anzulegen.

Ein dritter Käufer von Bundesanleihen, der selbst in Zeiten negativer Renditen dabei bleibt, ist die Bundesbank. Sie kauft im Auftrag der EZB allein in diesem Jahr Bundesanleihen im Wert von 50 Milliarden Euro auf – was mehr als einem Viertel aller platzierter Anleihen entspricht. Ziel der EZB ist es, über den Kauf von Bundesanleihen mehr Geld in den Markt zu pumpen und so die derzeit zu schwache Inflation anzukurbeln. Mit dem Jahreswechsel hat die EZB ihr Anleihekaufprogramm beendet. Laufen aber Anleihen aus, die sie in der Vergangenheit erworben hat, wird das Geld wieder in Staatsanleihen reinvestiert. Das verknappt das Angebot an Bundesanleihen – zumal der Staat ohnehin nicht mehr so viele ausgibt wie früher, weil er aufgrund der Schuldenbremse nicht mehr zügellos Kredite aufnehmen darf.

Experten gehen deshalb davon aus, dass die Rendite für Bundesanleihen bis auf Weiteres im Minus verharrt. Die Investmentbank Goldman Sachs sagt sogar voraus, dass sie bis zum Jahresende noch weiter fallen könnte – auf minus 0,55 Prozent. Für Verbraucher und Investoren, die eine sichere Anlage suchen, wird es damit noch schwieriger und teurer. Zumal es auch außerhalb Deutschlands immer weniger Alternativen gibt. In Europa werfen inzwischen drei Viertel aller ausstehenden Staatsanleihen keine Rendite mehr ab.

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