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Wirtschaft: Der Mini drängelt in den US-Markt

Seit Jahrzehnten bedeuten Luxus und Komfort auf amerikanischen Straßen automatisch auch Größe. Europäische Autohersteller wollen die Amerikaner jetzt eines Besseren belehren.

Seit Jahrzehnten bedeuten Luxus und Komfort auf amerikanischen Straßen automatisch auch Größe. Europäische Autohersteller wollen die Amerikaner jetzt eines Besseren belehren. Sie bringen ein breites Angebot an hochwertigen Kleinwagen auf den US-Markt. Sie glauben, dass auch die amerikanischen Käufer bereit sind, für ein Kompaktauto der Extraklasse mehr als 20 000 Dollar (22 012 Euro) auszugeben - höchster Technikstandard und stilvolle Innenausstattung inklusive.

In Europa haben solche Luxus-Kleinwagen bereits einen hohen Marktanteil. Geringer Spritverbrauch und keine Parkplatzprobleme machen die Autos attraktiv. "Das ist ein globaler Trend", sagt Wolfgang Reitzle, Vorstandsvorsitzender von Fords Luxussparte PAG. Sein Unternehmen will mit Volvo in das hochwertige Kleinwagensegment einsteigen. Auch DaimlerChrysler und Audi arbeiten an einem Kleinwagenmodell. Nicht zuletzt hoffen die Hersteller mit kostengünstigeren Kleinautos, ihre Käuferschicht trotz drohender Rezession zu halten. Und ganz nebenbei drosseln sie mit ihrem Kleinwagenangebot den Flottenverbrauch, der durch die benzinfressenden Großraum-Luxus-Autos ordentlich nach oben getrieben wird.

Das erste kleine Luxusauto, das den US-Markt erobern will, ist der BMW-Mini (Foto: BMW) - eine Reinkarnation des britischen Klassikers aus den 60er Jahren. Obwohl der Mini ein Viersitzer ist, misst er gerade mal 360 Zentimeter in der Länge und 140 Zentimeter in der Höhe. Während beim Original-Mini ausschließlich seine Funktionsfähigkeit als Transportmittel im Vordergrund stand - eine Heizung war bereits Sonderausstattung - setzt BMW jetzt auf Hightech und Komfort: beheizbare Spiegel, klimatisierte Handschuhfächer sowie ein Computernavigationssystem sind Extras, die der Sonderausstattung eines teureren und größeren Autos nicht nachstehen.

Auch die Aufmachung der Karosserie ist außergewöhnlich: Von vorne betrachtet, erweckt der Mini den Eindruck, freundlich zu Lächeln. Und das Heck ist in unterschiedlichen Farben bestellbar. Im Inneren dominiert der Retro-Look. Das Armaturenbrett ist aus mattiertem Metall. Der Tachometer hat die Größe eines Salattellers und sitzt genau in der Mitte.

"Es gibt viele Leute, die kein größeres Auto kaufen, obwohl sie es sich leisten könnten", sagt Michael McHale, Unternehmenssprecher von BMW-Mini. "Diese Kunden schätzen die Vorteile eines kleinen Wagens, wollen aber nicht das Ambiente, das ein solches Auto normalerweise hat."

Volkswagen ist einer der wenigen europäischen Hersteller, dem es bislang schon gelungen ist, kleine Mittelklasseautos auf dem US-Markt durchzusetzen. Der Beetle verkauft sich als Fun-Car, der Golf ist - seitdem es Volkswagen einfiel, auch die in den USA unverzichtbaren Becherhalter einzubauen, ein Klassiker. Und selbst der Jetta, in Europa ein Flop, verkaufte sich in Amerika. Diesen Autos wurde Charakter nachgesagt, und sie wurden gekauft. Obwohl sie immer teurer waren als die schlichten Modelle japanischer und US-amerikanischer Hersteller derselben Klasse.

Zwar trägt der Mini nicht das BMW-Emblem, aber unter der Motorhaube stecke die deutsche Ingenieursleistung, die BMW für viele Autokenner zum Maßstab in der Motorentechnik gemacht habe, fügt McHale schnell hinzu. Im Sommer diesen Jahres kam der Mini auf den englischen Markt und wurde dort sofort zum Verkaufsschlager. In den USA wird er Ende März 2001 für etwa 18 000 Dollar zu kaufen sein. Aber BMW-Verkäufer - etwa 70 Händler nehmen den Mini in ihr Programm - erzählen, dass sie schon jetzt massenweise Anfragen von Kunden bekommen. Sie alle wollen auf die Warteliste für die ersten 14 000 Minis, die im nächsten Jahr in die USA geliefert werden.

Sicherheit ist beim Mini Trumpf

"Das wird der Renner werden", sagt Tom Lueck, Verkaufsmanager für den Internethandel bei Bob Smith BMW in der Nähe von Los Angeles. Die Minis würden bereits jetzt 5000 Dollar über dem eigentlichen Preis gehandelt. Die Euphorie sei ähnlich groß wie 1996, als der Z3 auf den US-Markt kam.

BMW betont, dass die niedlichen kleinen Autos auch einem Zusammenprall mit robusten Geländewagen und Pick Ups, die auf Amerikas Straßen unterwegs sind, standhalten könne. Denn die Sicherheitstechnik des Minis entspreche höchsten Standards. Der Mini hat sechs Airbags und ein computergesteuertes Anti-Blockiersystem. Doch mit seinen 1042 Kilogramm bleibt der Mini im Vergleich zu den riesigen US-Kutschen ein Zwerg.

Allerdings besteht für Luxusmarken wie BMW das Risiko, ihre Käufer im hochpreisigen und hochprofitablen Kernsegment zu verlieren, wenn sie in den Massenmarkt mit Kleinwagen einsteigen. "Gehobene Marken gehen immer ein Risiko ein, wenn sie auch Modelle in niedrigeren Preisklassen anbieten", sagt Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. Und deshalb ist Porsche einer der wenigen Hersteller, der dem Kleinwagentrend nicht folgen wird. Schließlich bestehe zwischen Exklusivität und dem Preis eine enge Verbindung, erklärt Wiedeking.

Das scheint andere Premium-Autohersteller jedoch nicht abzuschrecken. Obwohl sie ihre neuen Kleinwagenmodelle vorläufig nicht auf den europäischen Markt bringen werden. Audi denke ernsthaft darüber nach, die nächste Generation des A3 zuerst in Amerika zu platzieren, und erst danach in Europa, sagt Len Hunt, Audi-Chef in den USA. Das gleiche könnte auch für die neue A-Klasse von Mercedes gelten, die in etwa drei Jahren auf den Markt kommen soll.

Vielleicht versucht es DaimlerChrysler in den USA zunächst mit dem Smart. Dort könnte der Bonsai-Benz mit Elektroantrieb getestet werden. Der Smart ist noch kürzer als der Mini und auch sein Design stehe für Extravaganz. "Viele Amerikaner, die aus Europa zurück in die Staaten kommen, fragen, ob sie unser Auto auch in den USA kaufen können", sagt Smart-Chef Andreas Renschler. "Bei so vielen Interessenten sollten wir auch den US-Markt ins Auge fassen."

Gregory L. White

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