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Wirtschaft: Der Moral-Bomber

Michael Moore ist dort, wo er sein will: ganz oben. Hollywood gab ihm den Oscar für „Bowling for Colombine“, auf dem Filmfestival in Cannes bekam er die Goldene Palme für „Fahrenheit 9/11“ und das gesamte republikanische Lager wettert gegen ihn, weil er einen heuchlerischen Film über George Bush gemacht hat.

Michael Moore ist dort, wo er sein will: ganz oben. Hollywood gab ihm den Oscar für „Bowling for Colombine“, auf dem Filmfestival in Cannes bekam er die Goldene Palme für „Fahrenheit 9/11“ und das gesamte republikanische Lager wettert gegen ihn, weil er einen heuchlerischen Film über George Bush gemacht hat.

Moore schickt sein politisch voreingenommenes Publikum auf eine Achterbahnfahrt. Die ersten Aufnahmen zeigen Vertreter der USAdministration kurz vor Fernsehauftritten in der Maske: Bush, Powell, Rice. Sie erscheinen alle ein wenig ausdruckslos, eben so wie jeder, der gleich auf Sendung geht. Und dann folgt der Sprung zum Morgen des 11. September im Zentrum von New York. Wir sehen Aufnahmen von Trümmerstaub, in melodramatischer Zeitlupe, unnötig emotional aufgeladen.

Moore erlöst den Zuschauer mit dem Übergang zum Krieg in Afghanistan – begleitet von Vorspann und Titelmusik der Sechziger-Jahre- Westernserie „Bonanza“, der befreiende Lacher fürs Publikum. Es folgen Bilder aus dem Walter Reid Hospital in Washington, sie zeigen amputierte Soldaten aus dem Irakkrieg und dienen als Kulisse für Moores politische Botschaft: Ein hagerer, verstörter Soldat erzählt, dass er früher Republikaner war, doch sobald er entlassen wird, will er sich für die Demokraten engagieren. Die Anti-Bush-Pointe.

Manchmal liefert Michael Moore selbst diese Pointen, doch häufiger programmiert er seine Filmfiguren, das zu tun. Selbst wenn sie tot sind. In einem der emotionalsten Momente des Films sitzt die Mutter eines im Irakkrieg getöteten Soldaten im Kreise ihrer Familie und liest aus seinem letzten Brief nach Hause vor: Darin steht, wie sehr er hofft, dass alle gegen Bush stimmen werden. Jeder in „Fahrenheit 9/11“ – ganz egal auf welcher Seite – ist in Michaels Welt entweder ein Opfer oder ein Trottel. Die von Moore gefilmten Menschen gehören ausnahmslos der unteren Mittelschicht an und sind unfähig, sich zu artikulieren. Das ermöglicht seinem großstädtischen Zielpublikum, sich in süffisanter Herablassung bequem zurückzulehnen. Die US-Soldaten im Irak erscheinen als kaltblütige Killer mit Südstaaten-Akzenten. Sie wirken gefühllos gegenüber den Zerstörungen des Krieges.

Es ist schwer zu sagen, ob man Moores Filmerei schlampig oder eher fingerfertig nennen soll. Die einzigen Menschen jedenfalls, die Moore mit Respekt behandelt, sind Politiker, die ihm nach dem Mund reden, wie etwa Senator Byron Dorgan und der Kongressabgeordnete Jim McDermott. Am Ende von „Fahrenheit 9/11“ bleibt nur die Erkenntnis, dass Moore die Welt als einen Hort überwiegend nützlicher Idioten sieht, das Publikum eingeschlossen. Er ist der Filmemacher für die kulturellen Eliten entlang der Ost- und Westküste der USA. Er bietet ihnen Gelegenheit, auf „Bush“ herabzusehen, aber sie dürfen sich auch den Fußsoldaten im proletarischen Kernland überlegen fühlen. Ohne jede Not wird auf Wahrheitsgehalt und Detailgenauigkeit verzichtet, und Moores Film „Fahrenheit 9/11“ gerät so zu einem moralischen Flächenbombardement aus 10000 Fuß Höhe.

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