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Wirtschaft: Der Motor des Fortschritts bleibt auf der Strecke

Wie der Erfinder Werner Anwander gegen Vorurteile, Bürokratie und Geldmangel am Hochtechnologiestandort Deutschland ankämpfen muss

Werner Anwander machte 1989 einen schweren Fehler. Er erfand eine Maschine, die sich als Elektromotor und zur Erzeugung von Energie einsetzen lässt. Heute ist Anwander um einen sechsstelligen Eurobetrag ärmer, dafür um jede Menge Frust reicher.

Zuhause, im Hobbyraum seines Hauses im allgäuischen Oy-Mittelberg, tüftelte Anwander an der Optimierung der Technik von Elektromotoren, die elektrische Energie in Bewegung umwandeln. Deren Grundprinzip geht immer noch auf eine Idee von Werner von Siemens aus dem Jahre 1866 zurück. Der gelernte Schreiner, der sagt, dass sein Traumberuf schon immer der des Elektroingenieurs gewesen sei, hatte eine Idee: Er entwickelte eine Konstruktion, die ohne den üblichen schweren Weicheisenkern auskommt und daher erheblich leichter ist als herkömmliche Motoren. Bei gleicher Leistungsfähigkeit, wie Anwander betont. Damit sei die Maschine besonders für die Luft- und Raumfahrt geeignet, wo jedes Kilo eingespartes Gewicht bares Geld wert sei.

Werner Anwander ließ seine Erfindung patentieren (siehe Lexikon) und machte sich anschließend auf die Suche nach Firmen, die seine Konstruktion in marktreife Produkte umsetzen. Bis heute vergebens. „Zu unserem Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen, dass die von Ihnen vorgeschlagene Lösung nicht in Richtung unserer derzeitigen Entwicklung liegt." Absagen wie diese füllen bei dem 62-Jährigen einen ganzen Aktenordner. Warum interessiert sich die Wirtschaft nicht für seine Erfindung? Obwohl sie der herkömmlichen Lehre der Elektrotechnik widerspricht, konnte Anwanders Sohn Christian die Leistungsfähigkeit der Maschine in seiner Diplomarbeit an der Uni Kaiserslautern nachweisen. Sein damaliger Betreuer, Professor Huth, bestätigt, dass die Maschine funktioniert und Potenzial hat. Um die neue Technik weiter erforschen zu können, hat er Fördergelder beantragt, die mittlerweile auch genehmigt wurden. Auch der forschungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen, Hans-Josef Fell, hat sich den Prototypen angeschaut. „Anwanders Maschine ist eine echte Innovation", sagt er. „Ich bekomme viele Neuerungen vorgestellt, da ist viel Mist dabei", erzählt der Abgeordnete.

Es muss einen anderen Grund geben, warum Anwanders Erfindung bisher nicht verwertet wird. „Ich habe nie Gelegenheit bekommen, meine Maschine in den Forschungsabteilungen der Unternehmen vorzustellen", klagt der Tüftler. Das Problem sei, dass seine Erfindung der herrschenden Lehrmeinung entgegenlaufe, die in den Köpfen fest verwurzelt sei.

Die Chance, ihre Erfindung vorzuführen, erhielten nur die wenigsten Tüftler, heißt es auf Anfrage bei Siemens. Von den 300 bis 400 Patenten, die dem Konzern jährlich angeboten würden, übernehme man lediglich rund ein Prozent. Grünen-Politiker Fell erklärt die Zurückhaltung mit der Furcht des Managements, wegen einer neuen Idee ihre eigenen Produktlinien umwerfen zu müssen.

Werner Anwander steht mit dem Problem nicht allein da. Private Tüftler, die mit ihren Ideen auf der Straße stehen, sind in Deutschland nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Nach Angaben des Vorsitzenden des Erfinder-Verbandes (DEV), Karl Bauch, werden gerade einmal zwei Prozent der an freie Erfinder erteilten Patente wirtschaftlich verwertet. Der Anteil der Patente, die privaten Tüftler erteilt wurden, sei zuletzt von 17 auf 13 Prozent zurückgegangen. Der DEV-Vorsitzende Karl Bauch warnt vor den Folgen: „Das Land, das die Kreativität seiner Bevölkerung missachtet, verspielt seine Zukunft.“

Bauch erinnert an Carl Benz oder Robert Bosch. Sie alle hätten klein angefangen, mit einer guten Idee und kaufmännischem Geschick – heute stünden ihre Namen für große Unternehmen mit vielen Arbeitsplätzen. Deutschland sei mittlerweile zum zweitgrößten Importeur von Technologie geworden, dabei liege hier zu Lande ein riesiges Innovationspotenzial brach. Die Chancen, die sich daraus ergeben, würden häufig nicht erkannt. Zudem komme es immer wieder vor, dass der Leiter der Entwicklungsabteilung von außen an das Unternehmen heran getragene innovative Erfindungen unterdrücke, um sich nicht von seinem Vorgesetzten vorhalten lassen zu müssen, nicht selber darauf gekommen zu sein.

Für den Erfinder kann es schwerwiegende Folgen haben, wenn er auf seiner Idee sitzen bleibt. Denn: Die Kosten für die Anmeldung und Aufrechterhaltung eines Patentes sind hoch. Hinzu kommen die Ausgaben für einen Patentanwalt, ohne den das komplizierte Verfahren kaum zu bewältigen ist. In astronomische Höhen schießen die Kosten, sobald man seine Erfindung auch international schützen lässt. Über 150 000 Euro hat Werner Anwander bisher für den Schutz seiner Erfindung auf den Tisch legen müssen.

Der Erfinder-Verband fordert schon lange die Halbierung der Patentgebühren für freie Erfinder – ohne Erfolg. Im Gegenteil: Die Gebühren wurden in den letzten vier Jahren dreimal erhöht. Damit will das Patentamt seinen Service verbessern. Die Behörde braucht nämlich immer noch im Schnitt vier bis fünf Jahre, um ein beantragtes Patent zu erteilen, kritisiert Bauch. Häufig sei eine neue Technik dann schon wieder überholt. Doch ohne Patent sei es den Firmen zu riskant, den Erfindern ihre Ideen abzukaufen.

Till Hoppe

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