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Wirtschaft: Der Müll bringt mehr Geld als die Kohle

BERLIN .Das Fabrikgelände spricht für sich: Schier endlose Rohre schlängeln sich über eine Fläche, die mit zwölf Quadratkilometern so groß ist wie das Territorium von Thyssen-Krupp-Stahl in Duisburg.

BERLIN .Das Fabrikgelände spricht für sich: Schier endlose Rohre schlängeln sich über eine Fläche, die mit zwölf Quadratkilometern so groß ist wie das Territorium von Thyssen-Krupp-Stahl in Duisburg.Aber hier, in dem ehemaligen Lausitzer Braunkohlerevier, arbeiten rund 3000 Menschen und nicht 14 000.Dafür winden sich Rohre aller Art, moderne mit funkelnagelneuem Aluminium umhüllt und verrottete, die jeden Moment aus ihren Halterungen zu fallen drohen."Wir nutzen nur noch zehn Prozent der Fläche", sagt Wolfgang Seifert.Er ist Geschäftsführer des Sekundärrohstoff-Verwertungszentrums Schwarze Pumpe (SVZ), eines ausgegliederten Teils des einstigen Kombinats Schwarze Pumpe, der heute zu den Berliner Wasserbetrieben gehört.In den 50er Jahren arbeiteten in dem Werk über 15 000 Menschen, Braunkohle wurde zu Stadtgas und Strom und versorgte fast die Hälfte der DDR-Bevölkerung.

Das SVZ kümmert sich heute um Abfälle aller Art und versucht aus Klärschlamm, Holz und Verbundstoffen möglichst viel Methanol zu produzieren.Methanol ist eine Verbindung aus Sauerstoff, Wasserstoff und Kohlenstoff, die mancher als das Benzin der Zukunft ansieht.Eine Fabrik, die Müll in Methanol verwandeln kann, gebe es "in der ganzen Welt nur einmal - hier", sagt Seifert.Üblicherweise wird der Stoff aus Erdgas, Kohle oder Erdöl gewonnen.Wer aber Müll veredelt, zahlt kaum für den Ausgangsstoff.Über Preise spricht das SVZ, das inzwischen mehr als 100 000 Tonnen Methanol produziert hat, allerdings nicht gern.Wieviel der Abfall bringe, "hängt von der Marktlage ab".

Von dem Produkt ist zumindest Daimler-Benz überzeugt.Dieses Methanol sei so "rein wie in der Apotheke", sagt Arnold Lamm vom Daimler-Benz-Forschungszentrum Ludwigshafen.Er prophezeit, im Jahr 2004 könnten rund 120 000 methanolbetriebene Mercedes vom Typ Necar3 über die Straßen rollen.Die Jahresproduktion des SVZ - 100 000 Tonnen Methanol - sichere den jährlichen Energiebedarf der Fahrzeuge.Bis dahin will das SVZ seinen Maschinenpark noch kräftig ausbauen.Das wird nochmals 150 Mill.DM kosten.Schon heute haben die Berliner Wasserbetriebe 350 Mill.DM in ihre dreijährige Tochter gebuttert, von denen rund 70 Mill.DM aus öffentlichen Fördertöpfen stammen.

Offenbar hat der Weg von der Braunkohle zum Müll die Schwarze Pumpe vor dem Aus bewahrt.Denn nach der Wende wollte niemand mehr Braunkohle zu Gas machen.Aber wohin mit dem Dreck und dem Schlamm, um den sich zu DDR-Zeiten niemand besonders gekümmert hat? In dieser Zeit suchten die Berliner Wasserbetriebe nach einem Ort, um ihren Klärschlamm zu verarbeiten, während Ingenieure der Schwarzen Pumpe darüber sinnierten, was künftig in den alten Hallen gemacht werden könnte.Und so arbeiten heute im SVZ 365 Leute, im vergangenen Jahr machten sie über 92 Mill.DM Umsatz, davon rund ein Viertel mit Methanol.Der Anteil soll - mit neuer Technik - wachsen.Dann wird es möglich sein, 350 000 Tonnen Abfälle in Methanol zu verwandeln.

Dafür aber muß das SVZ noch Berge von Müll beschaffen.Der aber ist zur Zeit rar, weil ein Countdown läuft: Vom Jahr 2005 an dürfen Deutsche ihren Müll per Gesetz nicht einfach auf die Halde kippen, sondern müssen ihn thermisch vorbehandeln lassen - verbrennen oder vergasen.Das aber bedeutet für herkömmliche Deponiebetreiber, daß ihre Halden in sieben Jahren weitaus weniger beliebt sind.Jetzt versuchen sie daher, ihre "Müllspeicher" noch zu füllen.

Immerhin schreibt das SVZ schon jetzt "eine schwarze Null", wie der kaufmännische Geschäftsführer, Björn Engel, sagt.Und falls das Müll-Gesetz so bleibt wie es ist, kann sich das Verwertungszentrum Schwarze Pumpe auf einen heftigen Ansturm an Müll-Lieferanten aller Art freuen.

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