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Wirtschaft: Der Mythos Fiat kämpft ums Überleben

Rom. Römische Bankiers schauen seit einigen Monaten mit großen Sorgen nach Turin.

Rom. Römische Bankiers schauen seit einigen Monaten mit großen Sorgen nach Turin. Dort steht es ganz schlecht um das wohl berühmteste Unternehmen der italienischen Industrie, den Mischkonzern Fiat. Fiat schreibt so rote Zahlen, dass internationale Ratingagenturen an der Kreditwürdigkeit zweifeln. Trotzdem stellte jetzt ein Konsortium aus den Banken San Paolo, Intesa und Banco Roma einen Kredit in Höhe von drei Milliarden Euro zur Verfügung.

Schließlich, so wird argumentiert, geht es um mehr als nur um einen angeschlagenen Autohersteller. Fiat ist ein italienischer Mythos und wenn das Überleben eines Mythos auf dem Spiel steht, dann wechselt sogar ein entschiedener Mercedes–Fan wie Ministerpräsident Silvio Berlusconi die Automarke. „Denen muss man einfach helfen“, sagte er und kaufte sich die Luxuslimousine Lancia Thesis. Ob diese Werbemaßnahme dazu führen wird, dass die Italiener jetzt eifrig Wagen aus Turin kaufen, darf indes bezweifelt werden.

Die Verkaufszahlen von Fiat befinden sich im freien Fall. Vor fünf Jahren wurden im Turiner Hauptwerk 600000 Pkw gebaut, im letzten Jahr waren es noch knapp 200000. Entsprechend dramatisch sind die jüngsten Geschäftszahlen. Im ersten Quartal 2002 machte Fiat einen Verlust von 429 Millionen Euro. Im gesamten Jahr 2001 erreichte das Minus eine ähnliche Größenordnung.

Von Gewinnen in der Autosparte ist bei Fiat schon lange keine Rede mehr. Die Gewinne anderer Unternehmensteile, wie zum Beispiel bei dem Nutzfahrzeugehersteller Iveco und bei dem Baumaschinenunternehmen Case New Holland können die Defizite nicht mehr ausgleichen. Nicht nur die Defizite steigen, sondern auch die Schulden. So sehr, dass die rosigen Zukunftsaussichten, die Fiat-Chef Paolo Fresco bei der jüngsten Hauptversammlung heraufbeschwor, niemanden überzeugen konnten. Im ersten Quartal sind die Schulden um 600 Millionen Euro auf 6,6 Milliarden Euro angestiegen. Solche Negativzahlen wurden in dem Familienunternehmen noch nie geschrieben.

Das 1999 von Fiat-Ehrenpräsident Giovanni Agnelli als „Entscheidung des Jahrhunderts“ angekündigte Joint Venture mit General Motors trug nicht die erwarteten Früchte. Die Überkreuzbeteiligung (GM übernahm 20 Prozent von Fiat und Fiat sechs Prozent von GM) sollte pro Jahr zirka zwei Milliarden Euro an Einsparungen bringen. Hoffnungen, die sich bisher nicht erfüllten.

Der jetzt beschlossene Sanierungsplan, mit dem die Banken zahlungsbereit gemacht werden sollten, sieht die Trennung von Beteiligungen im Wert von zwei Milliarden Euro vor. Abgestoßen werden die Zulieferer Magneti Marelli, der Anlagenbauer Comau und die Metallteiletochter Teksid. Rund 6000 Arbeitskräfte sollen entlassen werden weil 18 Produktionsstätten schließen. Nicht ausgeschlossen ist, dass eines Tages auch die Turiner Fabriken nach Polen oder in die Türkei verlagert werden. Auch wenn die schlechten Zahlen dagegen sprechen: an Fiat-Auto will die Konzernführung unbedingt festhalten. Mit den geplanten Maßnahmen sollen 4,5 Milliarden Euro gespart werden. Zusammen mit dem Geld des Bankenkonsortiums wird, so Paolo Fresco, „unser Laden wieder flott gemacht“. Das hoffen vor allem die Aktionäre. In den letzten drei Jahren ist der Kurs der Fiat-Aktie um 66 Prozent gefallen.

Thomas Migge

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