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Ingo Kramer, neuer BDA-Präsident, steht vor einem Mikrofon, im Hintergrund das Logo der BDA.

© dpa

Der neue Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer: Attacke zum Antritt

Der neue Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer geht mit den Plänen von Schwarz-Rot hart ins Gericht.

Eigentlich ist das Briefeschreiben etwas aus der Mode gekommen. E- Mails, Nachrichten über Facebook und Twitter, so macht man das heute. Der Bundespräsident hat es aber wohl nicht so mit sozialen Netzwerken, und überdies hat er an diesem Dienstag eine Nachricht von Gewicht mitgebracht.

„Liebe Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber“, so beginnt das Schreiben, das Joachim Gauck (73) am Dienstag vor gut 500 Unternehmern im Flughafen Tempelhof vorliest. „Sie sind es, die darüber entscheiden, ob über 50-jährige Mitarbeiter in den Unternehmen noch eine Chance haben“, ob die Rente mit 67 überhaupt erreichbar sei. Die Firmenchefs, führt das Staatsoberhaupt weiter aus, entschieden, wer in den Werkshallen steht: Menschen mit oder ohne ausländische Wurzeln, Singles oder Eltern, Einser-Kandidaten oder solche nur mit der Deutschnote Vier im Zeugnis. „Jetzt geht es um Integrationsbereitschaft gegenüber jenen, die bislang ,draußen’ waren“, ruft Gauck in den Saal.

Die Wirtschafts-Lobbyisten sind an diesem Tag eigentlich nicht zum Arbeitgebertag gekommen, um sich Forderungen an die eigene Adresse anzuhören. Sie wollen lieber selber austeilen. Und so ist Ingo Kramer, der am Montag frisch gewählte Arbeitgeberpräsident, zunächst ein klein wenig überrascht von Gaucks fiktivem Brief. „Ich bestätige den Eingang des Motivationsschreibens“, sagt er pflichtschuldig, als der Präsident geendet hat und versichert, dass er dessen Gedanken in seinem Herzen bewegen werde.

Seltener Besuch. Helmut Kohl kam zum Abschied von Dieter Hundt, begleitet von seiner Frau Meike Kohl-Richter.
Seltener Besuch. Helmut Kohl kam zum Abschied von Dieter Hundt, begleitet von seiner Frau Meike Kohl-Richter.

© AFP

Kramer (60) hat sich akribisch auf seinen ersten großen Auftritt im Berliner Politikbetrieb vorbereitet. Praktischerweise fällt er genau in die heiße Phase der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD, das verschafft Aufmerksamkeit. Mithin fällt die Präsidenten-Premiere ein wenig staatstragend aus, vor allem aber angriffslustig. „Kurzsichtigkeit“, „Ignoranz“, „unsolide“, „ich bin fassungslos“ – all diese Ausdrücke schiebt Kramer in seiner kaum gedämpften Ansprache den Volksvertretern unter. Das dunkel beanzugte Publikum findet das gut und applaudiert oft. Eigentlich, sagt Kramer, müsse Vollbeschäftigung das Ziel der Koalition für die nächsten vier Jahre sein. „Das ist keine Illusion, sondern eine realistische Chance.“ Doch die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen Schwarz und Rot wiesen in die Gegenrichtung. Zwar seien viele der geplanten neuen Sozialleistungen wünschenswert, „aber solide finanziert ist es nicht“.

Nun drohten dramatisch erhöhte Beiträge. „Wer milliardenschwere Rentenpakete, mehr Leistungen aus allen Sozialversicherungen, höhere Beitragsbelastungen, neue Regulierungen auf dem Arbeitsmarkt und 8,50 Euro für alle verspricht“, müsse sagen, dass Vollbeschäftigung damit nicht zu erreichen sei, ebenso wenig wie eine Fortsetzung des aktuellen Job- Booms. Vor allem auf den geplanten Mindestlohn schießt sich Kramer ein. Ein Langzeitarbeitsloser werde „in vielen Branchen und Regionen für 8,50 Euro kaum einen Einstieg in Arbeit finden“.

Zugleich bekennt Kramer, dass er Stundenlöhne von weniger als fünf oder sechs Euro „grundsätzlich für nicht akzeptabel“ hält. Er glaubt aber, dass „schwerwiegende Gründe eines Einzelfalls“ dies erklären. In jedem Fall könnten die Tarifpartner über Löhne besser befinden als die Politik. Das muss sich auch DGB-Chef Michael Sommer anhören, einer der glühendsten Anhänger des Mindestlohns, der in der ersten Reihe Platz genommen hat.

Natürlich weiß Kramer, der einen Anlagenbauer in Bremerhaven mit 260 Leuten führt und der FDP angehört, dass viele Beschlüsse der Koalitions-Arbeitsgruppen am Ende unter den Tisch fallen können. Aber alle Berliner Lobbyisten sind hyperaktiv in diesen Tagen, da will der Arbeitgeber-Chef nicht nachstehen.

Und so kämpft er auch dafür, dass Arbeitsverträge weiterhin auf Zeit geschlossen werden können. Die SPD will die „sachgrundlose Befristung“, wie es im Amtsdeutsch heißt, am liebsten abschaffen. Dies sei „mit Sicherheit kein Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“, moniert Kramer. Eigentlich seien gar keine großen Änderungen nötig. „Kurs halten“ sei wichtiger als neue Regulierungen. Dann kommt Kramer doch noch auf den Bundespräsidenten und dessen Brief zurück. Ihm sei die Ausbildung aller Jugendlichen, „der starken oder der schwachen, ob hier geboren, eingewandert oder der Not folgend hierhergekommen, gleichermaßen wichtig“, bekennt er. „Sie werden eines Tages unser wichtigstes Kapital sein.“

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