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Wirtschaft: Der neue Wall

Daniel Wall führt seit gut einem Jahr die Berliner Werbefirma – und ganz anders als sein temperamtvoller Vater Hans

Berlin – Manchmal fällt der Apfel doch etwas weiter weg vom Stamm. Daniel Wall (41) sitzt ganz ruhig in einem Sessel in dem kleinen Chefbüro hoch über der Friedrichstraße. Kaum Gestik, gleichmäßiger Ton, ab und zu ein kleines Lächeln. Die Sachlichkeit in Person. Und das bei dem Vater. Hans Wall (65) ist immer auf dem Sprung, der Hans-Dampf der Außenwerbung ist berüchtigt für seine Emotionen. Temperamentvoll wie ein Opernsänger, mit viel Pathos unterwegs, berauscht von eigenen Ideen und Produkten. Ein besonderer Typ, der die Wall AG gründete, mit Cleverness viel Geld verdiente und die Leitung der Firma vor gut einem Jahr dem Sohn überließ. Und der versichert nun, der Alte halte sich weitgehend raus aus dem Geschäft. Kaum zu glauben.

„Vielleicht gibt es einen anderen Stil“, beschreibt Daniel mit typischem Understatement den Unterschied zum Vater. Das Geschäft werde halt immer sachlicher, sein Alltag sei von Zahlen dominiert. Die Emotionen im Hause sitzen am anderen Ende des Flurs, im Büro des Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Wall. „Wir unterhalten uns ständig über neue Projekte“, sagt der Sohn. Mehr aber auch nicht. Dass die Abnabelung geklappt hat, war bereits im Frühjahr des vergangenen Jahres zu beobachten. Damals handelte Daniel einen Friedensvertrag mit dem französischen Wettbewerber Decaux aus. Der ist seit vielen Jahren und zum großen Verdruss von Vater Hans mit inzwischen 40 Prozent an Wall beteiligt.

Als dieser Feind auch noch in Walls Revier überaus erfolgreich wilderte und 2006 die BVG-Werbetochter VVG übernahm, tobte Hans Wall, drohte mit Umzug nach Hamburg und musste vom Regierenden Bürgermeister besänftigt werden. Ein paar Monate später hatte sich Daniel, der Sachliche, mit Jean-François Decaux geeinigt: Die VVR ging doch noch an Wall, dafür bekam Decaux die Wall-Töchter in Russland und Holland. „In meinem Auftrag“, sagte damals Hans Wall, habe sein Sohn den Streit geschlichtet. Es gibt aber in der Branche auch die Meinung, der Junge habe den Alten überredet, die Konfrontation mit Decaux zu beenden. Daniel kooperiert lieber.

Mit dem viel größeren französischen Konzern möchte er die Potenziale heben, die im deutschen Markt stecken. Derzeit werden knapp vier Prozent der gesamten Werbegelder der Unternehmen für Außenwerbung ausgegeben. Um den Anteil zu erhöhen, planen Wall und Decaux eine gemeinsame Vermarktungsgesellschaft. Für diese Firma ist ein neues Gebäude an der Friedrich-/Ecke Torstraße in Mitte, direkt gegenüber der Wall-Zentrale, geplant. Noch in diesem Jahr soll Baubeginn sein. Dort, wo bis 1867 das Oranienburger Tor stand, gibt es dann bald ein Wall-Tor als Eingang zur Friedrichstraße.

„Wir brauchen Büros“, sagt Daniel Wall. Die Firma mit derzeit 650 Beschäftigten wächst. Ein Integrationsteam zum Beispiel befasst sich mit Beteiligungen und Töchtern. Im vergangenen Jahr übernahm Wall eine Werbefirma in der Türkei. In Rumänien, Ungarn oder Bulgarien könnten weitere Akquisitionen folgen. Was in dreieinhalb Stunden mit dem Flugzeug erreichbar ist, komme für sein Unternehmen als Werbemarkt in Frage.

In Deutschland hat Wall unlängst gut 25 Prozent eines pfälzischen Unternehmens gekauft, das Werbeflächen auf Lastern vermarktet. „Die wollen Know-how von uns“, sagt Wall. Beinahe täglich gebe es Anfragen von Unternehmen, die an einer Partnerschaft interessiert seien. Denn die Prognosen für den Werbemarkt sind für Daniel Wall eindeutig: Wenn es überhaupt noch Zuwächse geben sollte, dann im Internet – und in der Außenwerbung.

In diesem Jahr beteiligt sich Wall an Ausschreibungen über die Aufstellung von Stadtmöbeln und Werbung in Tübingen, Münster und Stuttgart. So selbstbewusst wie der Vater glaubt auch der Sohn an einen Qualitätsvorsprung der eigenen Produkte. Doch anders als früher bietet Wall jetzt auch unterschiedliche Qualitäten und damit Preise, um besser der Vielfalt der Kundenwünsche begegnen zu können. Ein Wartehäuschen für die Bushaltestelle gibt es jetzt bereits ab 2000 Euro; die Variante für 12 000 Euro schließt das Angebot nach oben ab.

In Berlin testet Wall die Produkte der digitalen Zukunft. Heute noch müssen die Plakate alle paar Tage ausgewechselt werden. Künftig läuft das womöglich im Tagesrhythmus oder sogar mehrmals am Tag. „Die Technik ist da, was fehlt sind die Anzeigendisplays“, sagt Wall, also digital beschickte Bildschirme und Werbetafeln, die mit der Witterung klarkommen. Im Trockenen ist heute schon mehr möglich. Bis Ende des Jahres installiert Wall in den Bahnhöfen Zoo, Friedrichstraße und Alexanderplatz neue Geräte. Von einer Mischung aus Bildung, Entertainment, interaktiven Möglichkeiten und Werbung spricht Wall. „Alles in allem sind wir gut aufgestellt in diesem Jahr“, sagt der Vorstandschef und lächelt ganz bescheiden.

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