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Wirtschaft: Der öffentliche Dienst will sechs Milliarden

Verdi fordert deutlich über drei Prozent , Beamtenbund will 3,5 Prozent mehr Geld

Berlin (alf). Mit einer möglichst reibungslosen Tarifrunde wollen Gewerkschaft und Beamtenbund rund drei Prozent mehr Geld für den öffentlichen Dienst herausholen. Anders als die Gewerkschaften der Privatwirtschaft stellte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi am Dienstag keine konkrete Lohnforderung für die knapp drei Millionen Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst auf, sondern sprach von „deutlich über drei Prozent mehr Geld“. Im ersten Halbjahr waren die Tarifverhandlungen in verschiedenen Wirtschaftszweigen mit Lohnforderungen von durchschnittlich 6,5 Prozent gestartet und zumeist mit einem Abschluss von gut drei Prozent beendet worden. Vor diesem Hintergrund sagte VerdiChef Frank Bsirske in Bremen, der öffentliche Dienst dürfe von der Einkommensentwicklung in der Privatwirtschaft nicht abgekoppelt werden.

Etwas präziser als Verdi äußerte sich der Deutsche Beamtenbund (DBB). Eduard Geyer, Vorsitzender des DBB, forderte für die gut 1,5 Millionen deutschen Beamten eine Erhöhung der Bezüge um 3,5 Prozent. Ferner strebt der DBB eine Angleichung der Einkommen im ostdeutschen öffentlichen Dienst bis 2006 an. Verdi dagegen will bis 2007 die Löhne und Gehälter im Osten auf das gleiche Niveau wie im Westen anheben. Gewerkschafter und Beamtenvertreter berufen sich dabei sowohl auf Bundeskanzler Gerhard Schröder als auch auf die Union, die eine Angleichung auf 100 Prozent bis 2007 im Wahlkampf befürwortet hatten.

In den bevorstehenden Tarifverhandlungen – sie beginnen am 15. November, weitere Termine sind für Dezember und Januar anberaumt – dürfte die Ostangleichung indes unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Die öffentlichen Kassen sind leer, und deshalb war insbesondere von Vertretern der Kommunen eine Nullrunde für die Bediensteten gefordert worden. Nach Angaben des Deutschen Beamtenbundes würde ein Abschluss von 3,5 Prozent die öffentlichen Arbeitgeber – und damit die Steuerzahler – rund sechs Milliarden Euro kosten. Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser, der die Länder in den Verhandlungen vertritt, geht von 6,6 Milliarden Euro aus.

Verdi-Chef Bsirske, der erstmals für die Arbeitnehmerseite die Tarifverhandlungen führt, appellierte an die Arbeitgeber, für gute Leistung auch gut zu bezahlen. „Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sind ihr Geld wert. Krankenschwestern und Feuerwehrleute, Kanalarbeiter, Erzieherinnen und all die anderen leisten qualifizierte Arbeit.“ Die Arbeitgeber müssten bereit sein, für das, was sie vom öffentlichen Dienst erwarten, auch zu bezahlen. Den Verzicht auf eine hohe Forderung begründete Bsirske mit den vorliegenden Tarifabschlüssen, „die alle eine Drei vor dem Komma“ gehabt hätten. Der Verdi-Anspruch von „deutlich über drei Prozent“ liege „sehr nahe am angestrebten Ergebnis und knüpfe an die Realität an“, ließ sich Bsirske in einer Verdi-Mitteilung zitieren.

Bsirske war im März 2001 auf dem Verdi-Gründungskongress zum Vorsitzenden der größten deutschen Gewerkschaft gewählt worden. In der nun anstehenden Tarifrunde muss er erstmals sein Verhandlungsgeschick beweisen. Die vergangenen Abschlüsse im öffentlichen Dienst waren von den Beschäftigten zumeist als ärgerlich empfunden worden. Insbesondere der Tarifvertrag aus dem Jahr 2000 mit Erhöhungen über knapp zwei Prozent und einer Laufzeit von 31 Monaten wurde scharf kritisiert und hatte dem damaligen ÖTV-Vorsitzenden Herbert Mai viel Missbilligung in den eigenen Reihen eingebracht.

Wie schwierig das Tarifgeschäft im öffentlichen Dienst ist, zeigt auch der Umstand, dass in den vergangenen zehn Jahren vier Mal ein Schlichter erforderlich wurde, nachdem die Tarifparteien nicht mehr vom Fleck kamen. Die nach Einschätzung der Gewerkschaft moderate Tarifpolitik hat sich im Übrigen nicht ausgezahlt: Die Zahl der öffentlich Bediensteten liegt heute um rund zwei Millionen unter dem Stand von 1992. Allerdings geht rund die Hälfte davon auf die Privatisierung von Post und Bahn zurück, deren Personal nicht mehr zum öffentlichen Dienst zählt. Eine weitere Ursache für den Stellenabbau liegt in der Ausgliederung von Betriebsteilen oder ehemals öffentlichen Einrichtungen wie Werkstätten, Kantinen oder Reinigungstätigkeiten.

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