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Wirtschaft: Der Osten will nicht zur Zone werden

Im Streit um die richtige Wirtschaftsförderung in Ostdeutschland lehnen Politiker Sonderwirtschaftszonen ab

AUFBAU OST – WAS JETZT PASSIEREN SOLL

Berlin (dro/fw/huh/HB). Das von dem ehemaligen Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi vorgeschlagene Konzept zum Aufbau Ost stößt zunehmend auf Kritik. „Sonderwirtschaftszonen in Ostdeutschland sind keine Lösung“, sagte Bernd Rohwer, Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, dem Tagesspiegel. Der Bürokratieabbau müsse in ganz Deutschland und nicht nur in einzelnen Regionen vorangetrieben werden, so Rohwer. „Am besten wäre, wenn die Bedingungen überall in Deutschland verbessert würden“, sagte auch Karl-Heinz Paqué (FDP), Finanzminister von Sachsen-Anhalt.

Von Dohnanyi, der die von der Bundesregierung einberufene Kommission zum Aufbau Ost leitet, schlägt vor, in Ostdeutschland die Förderung auf Wachstumskerne zu konzentrieren und mit Sonderwirtschaftszonen die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Das sind Gebiete, in denen Steuererleichterungen gelten können oder staatliche Vorschriften ausgesetzt werden. Paqué bezweifelte die Machbarkeit des Konzepts. Es sei „extrem fraglich“, ob die Europäische Kommission Steuervergünstigungen für bestimmte Regionen genehmigen werde. SPD–Politiker Bernd Rohwer forderte, die Wirtschaftsförderung in Ostdeutschland zu überdenken. Schon jetzt sei das Fördergefälle in den Grenzregionen zu hoch. Viele Betriebe aus Schleswig-Holstein würden wegen der höheren Förderung nach Ostdeutschland abwandern. Daher sei eine stärkere Konzentration der Förderung auf Wachstumsregionen sinnvoll, nicht nur im Osten, sondern in Gesamtdeutschland.

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) lehnt das Konzept der Sonderwirtschaftszone ebenfalls ab. Er will einen Gesetzesentwurf vorlegen, der Regionen in Ost- und Westdeutschland lediglich erlaubt, das Bundes- oder Landesrecht teilweise auszusetzen, um so Bürokratie abzubauen. Geprüft werde unter anderem, ob sich das Wachstum fördern lasse, wenn Genehmigungsverfahren vereinfacht würden. Zudem will Clement – wie von Dohnanyi vorgeschlagen – die Förderung im Osten auf erfolgreiche Wirtschaftsregionen konzentrieren.

Das stößt jedoch auf Kritik bei den ostdeutschen Ländern. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) forderte, dass die Möglichkeit einer flächendeckenden Förderung beibehalten werde. „Thüringen ist ein Flächenland, da kann man nicht nur Großraumpolitik betreiben“, sagte Althaus dem Handelsblatt. Auch Sachsen-Anhalts Finanzminister Paqué weist dies zurück: „Das ist eine fehlgeleitete Diskussion“, sagte Paqué dem Tagesspiegel. Erfolgreiche Unternehmen könnten sich durchaus auch außerhalb der Leuchtturmregionen ansiedeln. Die Länder müssten zudem das Recht behalten, selbst über den Einsatz der Mittel zu entscheiden. Darauf besteht auch Althaus: „Wo die Stärken eines Landes liegen, das wissen die Landesregierungen am Besten“, so Althaus. Von Dohnanyis Konzept hingegen sieht vor, dass künftig der Bund über die Fördergelder entscheidet.

In der Wirtschaft sind die Vorschläge der Expertenkommission umstritten. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) begrüßte Sonderwirtschaftszonen mit flexiblen Regeln. „Das wäre ein Einstieg in die Reformen, die wir flächendeckend brauchen“, sagte DIHK-Hauptgeschäftführer Martin Wansleben dem Tagesspiegel. Er forderte, in den Grenzregionen die Übergangsregeln für die Dienstleistungfreiheit und die Arbeitnehmerfreizügigkeit „bedarfsgerecht“ auszusetzen. Dann würden die Unternehmen nicht gleich nach Osteuropa auswandern. Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) dagegen findet, der Vorschlag für Sonderwirtschaftszonen komme 14 Jahre zu spät. Hans-Joachim Haß, Abteilungsleiter Wirtschaftspolitik beim BDI, sagte, es sei heute unmöglich, selbst in Sonderwirtschaftszonen, das Lohnkostenniveau dem Tschechiens anzugleichen und so die Unternehmen von der Abwanderung abzuhalten.

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