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Wirtschaft: Der Patenonkel macht Nawrocki zum Vorstand

Vetternwirtschaft bei der Bahn?VON ROLF OBERTREIS FRANKFURT /MAIN.

Vetternwirtschaft bei der Bahn?VON ROLF OBERTREIS FRANKFURT /MAIN.Axel Nawrocki, Chef der Bahn-Tochter S-Bahn Berlin, wird Nachfolger von Heinz Neuhaus.Er wird ab sofort für fünf Jahre Vorstandsmitglied der Deutsche Bahn AG und dort den Bereich Fernverkehr verantworten.Neuhaus, der seit 1994 im Vorstand der Bahn saß, wechselt als Berater zur WestLB.Nawrocki war bundesweit als - umstrittener - Chef der Berliner Olympia GmbH in die Schlagzeilen geraten.Die Berufung Nawrockis war die einzige Personalentscheidung, die die Bahn am Mittwoch nach der Aufsichtsratssitzung in Frankfurt bestätigte.Allerdings gilt als sicher, daß rund zwei Dutzend Führungspositionen bei der Bahn neu besetzt worden sind.Selbst bei wohlwollenden Beobachtern der Bahn stoßen die meisten Personalentscheidungen auf großes Unverständnis.Mit Nawrocki sei eine der schlechtesten Lösungen gefunden worden, hieß es.Als Ex-Chef der Berliner Olympia GmbH war Nawrocki in die Schlagzeilen geraten, weil er angeblich eine halbe Milliarde DM in den Sand gesetzt haben soll.Ein Verfahren wegen Steuerverschwendung wurde allerdings eingestellt."Einen solchen Mann zu berufen, ist unmöglich.Außerdem ist er von der Sache her nicht qualifiziert", sagte am Mittwoch ein Insider.Weil Nawrocki, wie Ludewig, als Vertrauter des Kanzlers gelte, und der Bahn-Chef zudem noch Patenonkel des Sohnes von Nawrocki sei, sei die Berufung unmöglich.Weil mit Stephan Heimbach als vermutlich neuer Pressechef und mit dem schon vor Wochen als Bahn-Repräsentanten in Brüssel eingestellten Werner Münch zwei weitere Kohl-Vertraute zu Spitzenjobs bei der Bahn kommen, spricht man in Frankfurt schon von "Vetternwirtschaft".Der ehemalige CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt mußte von dem Amt wegen Unregelmäßigkeiten bei den Ministerbezügen zurücktreten."Hier kommt die alte Versorgungsmentalität der Bahn für abgeschobene Politiker wieder hervor", so der Insider.Bahn-Chef Johannes Ludewig, seit Mitte Juli 1997 als Nachfolger von Heinz Dürr am Ruder, büßt offenbar allmählich seinen Ruf ein."Ein Draht nach Bonn ist gut.Aber mittlerweile sind das Drähte, an denen Ludewig als Marionette hängt", sagen Kritiker.Es gebe offenbar eine "hemmungslose Verpflichtung" gegenüber der Politik.Aber nicht nur die Personalpolitik des Bahn-Chefs findet mittlerweile Widerspruch.Auch seine Unternehmensstrategie wird kritisiert: Die Bahn konzentriere sich viel zu stark aufs Kostenmanagement, neue Ideen dagegen würden nicht umgesetzt.Etwa mit Blick auf die Preispolitik und die Konkurrenz zum Flugzeug.Die Idee, die Bahnfahrt auf stark frequentierten Strecken zu verteuern und da, wo der Zug weniger genutzt werde, zu verbilligen, werde nicht verfolgt.Auch von einem neuen Vertriebssystem höre man wenig.Im Güterverkehr bauten die Post und das Privatunternehmen UPS einen neuen attraktiven Containerdienst auf, die Bahn sei hier nicht dabei.Die angeblich katastrophalen Zahlen der Bahn für das erste Quartal betrachten Beobachter als Beleg.Im Fernverkehr sei die Leistung gemessen an Personenkilometern um fünf Prozent gesunken, im Nahverkehr liege das Minus bei vier Prozent.1997 war der Umsatz der Bahn um nicht einmal ein Prozent auf 30,5 Mrd.DM gestiegen.Zu den Zahlen, zur Personalpolitik und zu den heftigen Vorwürfen hat Ludewig gestern schon im Aufsichtsrat Stellung genommen.Heute informiert der Bahn-Chef die öffentlichkeit auf der Bilanzpressekonferenz.

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