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Wirtschaft: Der sanfte Radikale

Der neue Weltbankpräsident Wolfowitz will den Kurs der Organisation verändern – in aller Ruhe

Von Greg Hitt Als Paul Wolfowitz sich auf die erste Jahresversammlung vorbereitete, die er als Präsident der Weltbank leitete, war die größte Überraschung, dass er für keinerlei Überraschung gesorgt hat. Im Gegensatz zu seinem neokonservativen Kollegen John Bolton, der sich in kurzer Zeit bei den Vereinten Nationen bereits aufgeplustert hat, hat Wolfowitz bei der Entwicklungsorganisation seit seinem Amtsantritt am 1. Juni bisher kein großes Aufsehen erregt. Die Befürchtungen der Mitarbeiter und der europäischen Anteilseigner, es werde einen großen Umbruch oder völligen Kurswechsel geben, sind – bislang – unbegründet. Wolfowitz hat in der Führungsetage nur zwei Positionen neu besetzt. Beide waren vakant, als er das Amt übernahm.

„Wenn etwas nicht kaputt ist, muss man es nicht reparieren“, sagte er in der vergangenen Woche. Er betonte, dass er „keine radikalen Veränderungen“ bei der Bank plane. Aber der neue Präsident wird in mancher Hinsicht die Schwerpunkte der von 184 Staaten getragenen Organisation anders setzen. Er wird den Kurs, den sein Amtsvorgänger James Wolfensohn verfolgte, ändern. Der frühere stellvertretende Verteidigungsminister der USA hat vor, mehr Mittel für Landwirtschafts und Infrastrukturprojekte zur Verfügung zu stellen. Insbesondere Afrika hat er dabei im Blick. Die Armut dort hat ihn bewegt, den geplagten Kontinent ganz oben auf die Prioritätenliste der Bank zu setzen. Wolfowitz spricht davon, das Augenmerk verstärkt auf die Förderung kleinerer privater Unternehmen zu lenken und nicht auf die Unterstützung von Großprojekten, die in der Vergangenheit so viel Kritik hervorgerufen haben. Außerdem will Wolfowitz aggressiver die staatliche Korruption bekämpfen und hat einen Beauftragten ernannt, der Transparenz und Verantwortlichkeit innerhalb der Weltbank gewährleisten soll.

Daneben hat Wolfowitz, international erfahren und mit dem Instinkt eines Konservativen für den schlanken Staat, nun angekündigt, die Verwaltung zu dezentralisieren. Außerdem sollen mehr der 7000 Angestellten, die die Bank in Washington hat, direkt vor Ort arbeiten, damit die „Energie der Menschen, die die wirkliche Arbeit machen“, freigesetzt wird.

Obwohl er weitgehend die Agenda seines Vorgängers übernimmt, fragte Wolfowitz in der vergangenen Woche auf einer Pressekonferenz: „Wo können wir besser werden?“ und führte gleich zwei Beispiele an: Die Förderung kleinerer Unternehmen in der Dritten Welt und die Unterstützung von privaten Gruppen, die neben staatlichen Institutionen wie der Weltbank die Armut bekämpften. „Das sind sehr wichtige Nischen“, sagte Wolfowitz. Ein genauerer Blick auf seine jüngsten Äußerungen zeigt, dass der neue Präsident an viel mehr denkt als an die Unterstützung einiger „Nischen“ auf dem Entwicklungssektor. Doch Wolfowitz geht behutsam vor und ist bemüht, keine Ängste aufkommen zu lassen.

Für Wolfowitz war die vergangene Jahrestagung von IWF und Weltbank – die erste, die er als Präsident leitet – so etwas wie eine „Coming-out-Party“ und die Gelegenheit, in aller Form den Ton für seine Amtszeit anzugeben. Weil er loyaler Gefolgsmann von George W. Bush und Architekt des Irakkrieges war, löste seine Nominierung durch den US-Präsidenten eine heftige Debatte darüber aus, wie unabhängig er vom Weißen Haus sein würde.

Bislang wenigstens war der 61-jährige Wolfowitz darauf bedacht, sich nicht allzu weit von seinem Büro zu entfernen. Er hat einige Auslandsreisen unternommen, insbesondere nach Afrika und nach Asien, hat aber ansonsten die ersten Monate in seinem Amt damit zugebracht, die Institution kennen zu lernen. Im Gegensatz zu der oft überlebensgroß gezeichneten Figur seines Vorgänger hat er sich bisher eher bedeckt gehalten. „Wir haben Jim Wolfensohn viel zu verdanken“, sagte er in der vergangenen Woche und betonte insbesondere das Verdienst Wolfensohns, die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Bekämpfung der Korruption zu lenken.

Von seinen ersten Tagen im Amt an hat der neue Präsident klargestellt, dass Afrika Priorität hat. Unter Wolfowitz hat die Weltbank einen „Aktionsplan“ für Afrika entwickelt, um Straßen, Bildung und Energieversorgung. Und er unterstreicht, dass sich die Weltbank wieder stärker in Feldern engagiert, aus denen sie sich zuvor weitgehend zurückgezogen hat: Landwirtschaft und Infrastruktur.

Übersetzt und gekürzt von Matthias Petermann (Friedensbewegung), Svenja Weidenfeld (Weltbank) und Christian Frobenius (Bundestagswahl, Afghanistan).

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