zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Der Schwarzenegger unter den Ökonomen

MÜNCHEN .Die Schuld für Finanzmarktkrisen liegt nicht bei Spekulanten, die beim gemeinsamen Frühstück beschließen, welches Land sie sich heute vornehmen.

MÜNCHEN .Die Schuld für Finanzmarktkrisen liegt nicht bei Spekulanten, die beim gemeinsamen Frühstück beschließen, welches Land sie sich heute vornehmen.Der Internationale Währungsfonds muß nicht mit stärkeren Waffen, sprich mehr Geld, ausgerüstet werden, nur weil die Finanzmärkte aufgerüstet haben.In Thailand gehört jedem Politiker eine Bank, und jeder Bank gehören zwei Politiker.

Starke Worte zur Asienkrise von einem Mann, der die polemische Übertreibung liebt und dennoch etwas zu sagen hat: Rüdiger Dornbusch, Jahrgang 1942, gebürtiger Deutscher, seit 1975 am MIT in Boston lehrend, weltweit anerkannter Spezialist für Fragen der monetären Außenwirtschaft und der Makroökonomik.Diese Woche wurde der "Arnold Schwarzenegger der Volkswirtschaftslehre", wie ihn der Münchener Ökonom Hans-Werner Sinn nannte, mit dem Preis des Münchener Center for Economic Studies (CES) ausgezeichnet.Der mit 15 000 DM dotierte und in diesem Jahr zum fünften Mal verliehene Preis ist mit einer Vorlesungsreihe des Geehrten verbunden.

"Finanzmarktkrisen in Zeitlupe" gebe es nicht mehr, meint Dornbusch.Der MIT-Ökonom erkennt die Kernursachen heutiger Finanz- und Wechselkurskrisen im privaten Mißmanagement von Anlagegeschäften, in verletzbaren Bilanzen von Unternehmen und Banken."Die Achillesferse einer in die Weltwirtschaft und in die internationalen Kapitalmärkte eingebundenen Volkswirtschaft ist das Bankensystem."

Die südostasiatischen Länder fuhren in den Jahren vor der Krise wie ein Betrunkener Auto, befindet Dornbusch: Solange es nicht zum Unfall kam, ging alles gut.Die Staaten hätten den Unfall aber vermeiden können, hätten sie den wirtschaftlichen Boom vor der Krise nicht überwiegend auf kurzfristigen Krediten aufgebaut.Auch daß die meisten der Kredite in Yen oder Dollar aufgenommen wurden, habe Unternehmen und Banken schon bei kleineren Abwertungen der heimischen Währung in Gefahr geraten lassen.Ein anderer wichtiger Faktor: Die wegen der Korruption unsicheren Eigentumsrechte erschwerten den Weg aus der Krise.Anders sei nicht zu erklären, daß sich internationale Investoren nach dem Fall der asiatischen Währungen nicht weit mehr in die Länder eingekauft und so den Währungsverfall rasch beendet hätten.

Nicht die Spekulanten an den Finanzmärkten gelte es also zu beschimpfen, sollten Finanzmarktkrisen künftig vermieden werden.Die von Malaysia praktizierte Flucht in Kapitalverkehrskontrollen führe gar direkt "zurück in die Steinzeit", belaste solch ein Schritt doch das Vertrauen der Investoren in das Land über Jahre hinweg.Entscheidend sei vielmehr, die Bilanzen der Banken und Unternehmen besser auf inhärente Risiken zu kontrollieren.Dies sei auch Aufgabe des IWF: Er solle vorbeugend Länderchecks durchführen und Kredite im Krisenfall nur noch dann vergeben, wenn die einzelnen Staaten bei diesem Kapitalmarkt-TÜV gut abgeschnitten hätten.

Daß die Globalisierung zu weit gegangen sei, weil auch "ehrliche Krisen" notwendigerweise ansteckend wirken, glaubt Dornbusch weniger.Sicher: Stehe eine Landeswährung erst einmal vor dem Absturz, würden die aufgeschreckten Anleger ihre Portfolios überprüfen.Taiwan und Hongkong hätten aber gezeigt, wie man auf Abwertung hoffende Spekulanten wieder los wird: mit guten Banken und gegebenenfalls einem radikalen Reformkurs.

Für die Krisenländer Südostasiens empfiehlt Dornbusch dieselbe Strategie.Nur wer die Zinsen hoch setze und hoch halte, könne weitere Abstürze des Wechselkurses verhindern.Das möge für die konjunkturelle Entwicklung schädlich sein und werde von den "Befreiungstheologen" der Weltbank bekämpft, sei aber zur Beendigung der Krise unvermeidbar.Wo die nächste Finanzkrise ausbrechen wird? Dornbusch nennt im Gespräch Brasilien.Das frisch geschnürte Finanzpaket des IWF sei allein der Versuch, die dort hohen Zinsen gegen öffentlichen Widerstand weiter hoch halten zu können, um den Wechselkurs vor dem Absturz zu retten.Ansonsten aber erteilt der Ökonom dem IWF gute Noten, habe er doch trotz gelegentlicher Übertreibungen als Gegenleistung für finanzielle Hilfe hohe Zinsen und Haushaltsdisziplin gefordert.

Sein Fett bekam der IWF dennoch ab.Der US-Kongreß solle sich dem Wunsch des IWF nach mehr Geld verweigern, bis die Belegschaft eines gesamten Flurs im IWF-Gebäude sich allein den Bilanzen und der Risikoüberwachung widme - und wenn dafür die Cafeteria draufgehe.

PATRICK WELTER (HB)

Zur Startseite